Demokratiegeschichten

Wenig Forschungsdrang, aber ein überwältigendes Wahlergebnis: CDU/CSU und die Bundestagswahl 1957

Die absolute Mehrheit bei einer Bundestagswahl zu erlangen scheint im Sommer 2021 angesichts von Wahlprognosen, die aktuell keiner Partei auch nur 30% Stimmenanteil voraussagen, geradezu absurd. In den 1950er Jahren aber gelingt der CDU/CSU das aus heutiger Sicht Unmögliche. Bei der Bundestagswahl am 15. September 1957 erhält die Union die absolute Mehrheit sowohl der abgegebenen Zweitstimmen als auch der letztlichen Sitze im Bundestag. Es ist der bis heute größte Wahlsieg der Konservativen und generell das beste Wahlergebnis einer Partei in der Geschichte der Bundesrepublik.

Erzwungene Abgrenzung voneinander

Plakat der CDU im Wahlkampf 1957, Abbildung: KAS/ACDP 10-001: 642 CC-BY-SA 3.0 DE

Der dritten Bundestagswahl geht ein polemisch geführter und polarisierender Wahlkampf voraus. Die Unionsparteien sehen bei einem Sieg der SPD den Kommunismus triumphieren und die Existenz Deutschlands gefährdet. Spitzenkandidat und Amtsinhaber Konrad Adenauer wirbt deshalb mit dem mittlerweile ikonisch gewordenen Slogan „Keine Experimente!“ für eine Fortführung der bisherigen Politik. Die eine oder andere Parallele zum Wahlkampf 2021 lässt sich also doch finden.

Wahlplakat der SPD (1957), Abbildung: Bundesarchiv, Bild 183-49306-0003/CC-BY-SA 3.0

Die SPD hingegen wittert in den Reihen der Union zahlreiche Faschisten und Nationalisten und warnt vor dem nahen Atomtod. Die Sozialdemokrat*innen schicken wie vier Jahre zuvor ihren Partei- und Fraktionsvorsitzenden, Erich Ollenhauer (1901-1963), ins Rennen. Er spricht sich explizit für eine schnelle Wiedervereinigung und gegen die Stationierung von Atomwaffen in Deutschland aus.

Dies alles kann aber nicht ganz überdecken, dass die beiden Volksparteien inhaltlich tatsächlich gar nicht so weit auseinanderliegen. Der Vorteil liegt allerdings bei der CDU/CSU, da sich Bundeskanzler Adenauer aufgrund des Beitritts des Saarlandes zur Bundesrepublik Anfang des Jahres und infolge der gerade verabschiedeten Rentenreform großer Beliebtheit bei den Deutschen erfreut.

Eine Bundestagswahl mit viel Neuem

Der SPD-Spitzenkandiat Erich Ollenhauer (1953), Abbildung: Bundesarchiv, Bild 183-21272-0001/CC-BY-SA 3.0

Die Wahlbeteiligung liegt am Ende bei 87,7 %. Erstmals ist auch die Stimmabgabe per Briefwahl möglich. 1,5 Millionen Wähler*innen nehmen sogleich diese Möglichkeit in Anspruch. Ebenso neu bei dieser Wahl ist, dass die Kommunistische Partei Deutschlands nicht mehr antritt. Denn die KPD ist seit August 1956 verboten und nun nicht mehr wählbar. Dies verspricht einen Stimmenzuwachs für die SPD.

Doch auch damit reicht es am Ende nicht, um Konrad Adenauers Regierungszeit zu beenden. CDU und CSU erhalten zusammen 50,2 % der Stimmen, die SPD kommt trotz Verbesserung des vorherigen Ergebnisses gerade einmal auf 31,8 %. Aus heutiger Sicht zwar ein beachtliches Ergebnis, im Jahr 1957 aber viel zu wenig, um als Wahlsiegerin zu gelten. Die Unionsparteien sind am Ende mit 270 Sitzen im Bundestag vertreten, die Sozialdemokratische Partei erhält 169 Mandate.

Kanzler Adenauer im Deutschen Bundestag (1955), Abbildung: Bundesarchiv, B 145 Bild-F002449-0027/Unterberg, Rolf/CC-BY-SA 3.0

Die FDP verliert wenige Prozentpunkte und kommt noch auf 7,7 % und somit 41 Sitze, die Deutsche Partei (DP) gerade mal auf 3,5 %. Doch weil die CDU in einigen Wahlkreisen auf eigene Kandidaten verzichtet, erringt die DP einige Direktmandate und kann so durch dieses Huckepackverfahren mit 17 Sitzen in den Bundestag einziehen.

Trotz der eigenen absoluten Mehrheit bildet die Union im Anschluss an die Wahl eine Koalition mit der DP. Zusammen wählen sie Konrad Adenauer am 22. Oktober 1957 zum Bundeskanzler. Zum dritten Mal in Folge ist er somit Regierungschef Westdeutschlands. Im Laufe der folgenden Legislaturperiode treten beide DP-Minister des neu gebildeten Kabinetts schließlich der CDU bei, sodass am Ende alle Posten in der Hand der Unionsparteien sind.

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Ulli E. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als Projektkoordinator im Bereich Demokratiegeschichte.

2 Kommentare

  1. Ingo Jaeckel

    23. Oktober 2023 - 22:53
    Antworten

    Toll, das sie die Deutsche Sprache mit Gendergestotter verzerren….

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