Demokratiegeschichten

Mary Ellen Pleasant: Millionärin und Kämpferin für die Freiheit

Was würdest du tun, wenn du eine Millionen Euro hättest?

Vielleicht eine Weltreise machen? Dein Traumhaus kaufen? Eine Auszeit von der Arbeit nehmen?

Vermutlich haben die meisten von uns schonmal über diese Frage nachgedacht und viele verschiedene Antworten darauf gefunden. Menschen aus der Sklaverei befreien und neu in die Gesellschaft integrieren, das dürfte dabei jedoch den wenigsten in den Sinn kommen.

Genau das tat jedoch Mary Ellen Pleasant. Die US-amerikanische Unternehmerin war vermutlich die erste afro-amerikanische Millionärin. Und eine bekennende Gegnerin der Sklaverei, die aktiv gegen diese vorging.

Frühe Jahre

Widersprüchliches ist über Marry Ellen Pleasants frühe Jahre bekannt. Vermutlich kam sie im August 1814 zur Welt. Entweder in Philadelphia als Tochter einer freien Afroamerikanerin und eines hawaiianischen Seidenhändlers. Oder in Georgia oder Louisiana als Tochter einer Sklavin und eines weißen Amerikaners, was sie auch zu einer Sklavin gemacht hätte.

Sicher ist, dass sie irgendwann im Alter von sechs bis elf Jahren nach Nantucket umzog. Der Ort hatte zu der Zeit eine der größten Schwarzen Gemeinden in Massachusetts. Dort kam sie als Dienstmädchen bei einer Quäkerfamilie unter. Statt die Schule zu besuchen – wie es angeblich vorgesehen war – arbeitete sie im Laden der Frau. So erhielt sie erste Einblicke in das Kleinunternehmertum.

Was auf ihre Zeit in Nantucket folgte, ist wieder unsicher. Sie heiratete zum ersten Mal und bekam eine Tochter. Doch wen sie heiratete und wo die Familie lebte, das ist wieder ungewiss. Als ihr Ehemann 1844 starb – dies ist wiederum sicher – hinterließ er Pleasants eine beachtliche Summe. Damit war ihre Unabhängigkeit gesichert. Millionären und aktive Abolitionistin war sie zu dem Zeitpunkt jedoch noch nicht.

San Francisco

Oder vielleicht doch? Vereinzelt wird ihre Tätigkeit als Fluchthelferin schon in die Zeit ihrer ersten Ehe eingeordnet. Andere verorten diese erst, nachdem Mary Ellen wieder heiratete und spätestens 1852 mit ihrem Mann John James nach San Francisco zog.

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Drei Männer und eine Frau schürfen nach Gold, Kalifornien im Juli 1858. Foto: gemeinfrei.

San Francisco war zu diesem Zeitpunkt aus mehreren Gründen für Zuziehende und insbesondere Schwarze Menschen und andere Minderheiten attraktiv. Zum einen war die Stadt Zentrum des kalifornischen Goldrauschs. Mit etwas Glück konnte man hier in kurzer Zeit viel Geld machen.

Zum anderen war der Staat bis 1848 Teil von Mexiko, ab 1850 ein freier Staat. Im Vergleich zu anderen Staaten war die Rechtsprechung und die Einstellung gegenüber Schwarzen relativ freundlich. Relativ – flüchtige Sklav:innen konnten nach dem Fugitive Law auch aus Kalifornien zurückgefordert werden.

Die Gelegenheit nutzen

Mary Ellen nutzte die Möglichkeiten, die ihr San Francisco bot, äußerst geschickt. Zum einen legte sie das Geld aus ihrer ersten Ehe in Betrieben an, die einen großen Einfluss auf die westamerikanische Wirtschaft hatten, beispielsweise Wells Fargo. Außerdem investierte sie in Gold und Silber, was sie je nach Kursstand wechselte.

Zum anderen war sie in der Hauswirtschaft tätig, also unter anderem als Köchin und Wäscherin. An Personal in diesen Bereichen fehlte es, da der überwiegende Teil der Zuziehenden während des Goldrauschs männlich war. Auf 100 Männer kamen in San Francisco mitunter nur zwei Frauen.

Nach wenigen Jahren, gegen 1855, hatte Pleasant so genug Geld gespart, um mehrere Wäschereien und Herbergen zu betreiben.

Abolitionistin

Mit dem Großteil ihres Geldes unterstützte Pleasant geflohene Sklav:innen. Sie kam für die finanziellen Mittel auf, die eine sichere Flucht aus den Südstaaten ermöglichten. Wenn die ehemaligen Sklav:innen dann in San Francisco ankamen, versteckte Pleasant sie in ihren Herbergen oder brachte sie in Dienstverhältnissen unter. Vereinzelt half sie bei der Eröffnung von Geschäften.

Besondere Hilfe ließ sie alleinstehenden und ungebildeten Frauen zukommen. Ihnen brachte Pleasant bei, wie man sich ordentlich kleidete und angemessen ausdrückte. Dadurch half Pleasant ihnen, sich ihre eigene Selbstständigkeit aufzubauen. Oder auch wohlhabende Ehemänner zu finden, womit sie in San Francisco mit seinem hohen Männeranteil äußerst erfolgreich war.

Neben der persönlichen Hilfe für Einzelne wurde Pleasant auch öffentlich aktiv. Sie protestierte gegen das bereits genannte Fugitive Slave Law of 1850, das Sklavenhalter:innen das Recht gab, die Auslieferung ihrer Sklav:innen zu verlangen oder sie mit Gewalt zurückzuholen. Zudem setzte sie sich dafür ein, dass Schwarze als Zeug:innen vor Gericht aussagen durften.

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John Brown, um 1848.

Desweiteren unterstützte Pleasant andere Abolitionist:innen finanziell. Einer der bekanntesten unter ihnen war John Brown, ein US-amerikanscher Abolitonist, der nach dem gescheiterten Versuch, einen Sklavenaufstand zu initiieren, 1859 hingerichtet wurde. Obwohl Brown scheiterte, führte die Aktion doch dazu, dass Problem der Sklaverei in den USA ins öffentliche Bewusstsein zu bringen. Daraus folgte eine Vertiefung des Konflikts zwischen Nord- und Südstaaten. Zwei Jahre später brach dann der Bürgerkrieg in den USA aus.

Für ihre Grabinschrift wünschte sich Pleasant die Worte: „She was a friend of John Brown“, zu deutsch: „Sie war eine Freundin von John Brown“.

Mammy Pleasant

Ein großer Teil der Bevölkerung San Franciscos wusste nichts von Mary Pleasants Reichtum. Öffentlich stellte sie sich als Haushälterin dar und bediente so Vorurteile. Als „Mammy Pleasant“ konnte sie die Vorurteile ausnutzen und sich selbst als harmlos darstellen.

Dies half ihr unter anderen, als sie 1866 zwei Straßenbahnfirmen verklagte. Diese hatten ihr aufgrund ihrer Hautfarbe verboten, mit ihren Bahnen zu fahren. Als einfache Haushälterin, „Mammy Pleasant“ erfuhr sie mehr Sympathien, als wenn sie sich als tüchtige Geschäftsfrau gezeigt hätte. Dieses Bild behielt sie sogar dann noch bei, als sie mit ihrem Geschäftspartner Thomas Bell und seiner Familie dasselbe Haus bezog. Nach außen die Angestellte, war sie die Triebkraft hinter den gemeinsamen Abschlüssen.

Tatsächlich besaß sie zu dieser Zeit mehrere Immobilien in San Francisco, deren Wert allein sie vermutlich zur ersten Schwarzen Millionärin machte. Unter diesen war die Gaststätte in der 920 Washington Street wohl die bekannteste. Als 1871 Newton Booth, der in einer ihrer Herbergen lebte, zum Gouverneur Kaliforniens gewählt wurde, gab sie dort einen Empfang für ihn. In diesen Jahren war Pleasant auch als „das schwarze Rathaus“ bekannt, da sie dank ihrer Verbindungen schnell und effektiv Veränderungen bewirken konnte.

Newton Booth, 11. Gouverneur von Kalifornien und Freund von Mary Pleasant, ca. 1870–1880.

Verlust ihres Rufs

Mary Ellen Pleasants guter Ruf geriet erst ab 1883 ins Wanken. Sie sagte zugunsten einer jungen Frau namens Sarah Althea Hill Sharon aus. Diese behauptete, heimlich einen wohlhabenden Investor geheiratet zu haben und klagte nun auf Scheidung, da ihr Mann ihr untreu geworden sei.

Zunächst wurde der Klägerin Recht gegeben, was auch Pleasants Position weiter stärkte. Doch ein Jahr später revidierte ein Gericht das Urteil: Der Ehevertrag wurde als Fälschung erachtet. Als Hauptverdächtige für die Fälschung und somit auch für eine Erpressung wurde Pleasant genannt.

Weitere Anschuldigungen folgten, nun stand auch Pleasants Charakter in Frage. „Mammy Pleasant“ sah sich zunehmend rassistischen Klischees ausgesetzt. Zudem behauptete man, sie sei eine Kupplerin und betrüge die Leute, mit denen sie arbeite.

Auch mit der Familie Bell zerstritt sie sich über das Erbe, nachdem Thomas 1892 bei einem Unfall starb. Pleasant wurde nachgesagt, ihn ermordet zu haben; verschiedene Zeitungen schürten negative Gerüchte über sie.

Letzte Jahre

Zum Ende ihres Lebens hin stand Mary Ellen Pleasant oft vor Gericht, um sich gegen ihre Gläubiger zu verteidigen. Eine Reihe von Fehlinvestitionen, die ungeklärte Erbschaft der Bells und ihr schwindender Ruf führten dazu, dass sie einen Großteil ihres Vermögens verlor.

Pleasant starb am 11. Januar 1904 in San Francisco. Trotz der letzten harten Jahre besaß sie immer noch ein Vermögen von 10.000 US-Dollar, damals eine enorme Summe.

Größer als diese Summe ist aber zweifellos der Verdienst, den sie als Mensch hatte. Wie vielen Menschen sie im Laufe ihres Lebens geholfen hat und wie weit ihr Einfluss zeitweise ging, ist schwer abzuschätzen. Manchmal kann Geld – wenn richtig eingesetzt – eben nicht nur Glück, sondern auch Freiheit kaufen.

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Über uns 
Annalena B. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als Projektkoordinatorin im Bereich Demokratiegeschichte.

2 Kommentare

  1. Klaus Karl Otto

    28. August 2024 - 18:04
    Antworten

    Danke, Frau Baasch, dass Sie diese allgemein unbekannte – schwarze Frau – vorgestellt haben
    als ein Beispiel dafür, dass schon früh auch eine Nichtweiße wirtschaftlich erfolgreich und gesellschaftlich anerkannt sein konnte.

    • Annalena B.

      29. August 2024 - 10:04
      Antworten

      Vielen Dank für den netten Kommentar!

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