Ein Zeichen gegen Rassismus und für Toleranz zu setzen, geht im Kleinen wie auch im Großen. Was letztlich den oder die Einzelne überzeugt, ist wohl von Fall zu Fall unterschiedlich. Doch wenn es darum geht, eine größtmögliche Menge an Menschen zu erreichen, ist ein Konzert sicherlich nicht die schlechteste Methode – vor allem in den archaischen Zeiten vor dem Internet. Das dachten sich auch die Veranstaltenden von „Heute die! Morgen Du!“.
Musik gegen Baseballschläger
Dabei handelte es sich um das zweite große Pop- und Rock-Festival gegen rechtsextreme Gewalt in den 1990er Jahren. Wie sein Vorgänger, das Konzert „Arsch huh, Zäng ussenander“ in Köln, verstand sich auch „Heute die! Morgen Du!“ als Antwort auf die rechtsextremistischen Ausschreitungen und Mordanschläge in Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen und Mölln.
Das Festival fand am 13. Dezember 1992 in Frankfurt am Main vor der Messehalle stattfand und wurde live im deutschen Fernsehen und international übertragen. Durch den etwa dreistündigen Abend führte der Hörfunk und TV-Moderator Fritz Egner und leitete für die Zuschauenden vor dem Fernseher, aber eben vor allem für die etwa 150.000 Zuschauer:innen vor Ort, von einer Künstler:in zur nächsten. Damit übertraf es sogar die Besuchendenzahlen von „Arsch huh, Zäng ussenander“ (knapp 100.000 Menschen) einen Monat vorher.
In diese Zeit, oft auch als „Baseballschlägerjahre“ bezeichnet, fielen zahlreiche ähnliche Veranstaltungen und Aktionen gegen rechtsextreme Gewalt. So gab es zum Beispiel immer wieder Lichterketten, etwa in München und Hamburg, Gedenkveranstaltungen und Demonstrationen für Toleranz sowie gegen Nationalismus und Rassismus. Die Deutschen rangen noch damit, wie sie mit der neuen Einheit umzugehen hatten.
Die Stimmen der Toleranz
Auch die Pop- und Rockszenen positionierten sich. So traten bei „Heute die! Morgen Du!“ unter anderem auf:
- Matthias Jabs und Klaus Meine von den Scorpions
- Uwe Ochsenknecht – Only One Woman
- Die Prinzen und Annette Humpe
- Ulla Meinecke und Rio Reiser
- Herbert Grönemeyer
- Münchener Freiheit
- Klaus Hoffmann – Stein auf Stein
- BAP – Kristallnaach
- Die Fantastischen Vier
- Jule Neigel und Peter Maffay
- Badesalz
- Reinhard Mey und Richard Wester
- Udo Lindenberg
- Die Toten Hosen
- Marius Müller-Westernhagen
Zwischen den Liedern lasen die Künstler:innen außerdem Grußbotschaften deutscher und internationaler Prominenter vor bzw. teilweise taten diese das selbst. So waren auch Harald Juhnke, Vanessa Redgrave und Hella von Sinnen Teil des Toleranzfestivals.
Dem Rassismus auf die Nerven gehen?
Im Großen und Ganzen nahm die Presse das Konzert zwar gut auf, doch es gab durchaus auch kritische Stimmen. So kam es beispielsweise zu einem kleinen Skandal darüber, dass die Band Böhse Onkelz, die ursprünglich zugesagt hatten, wieder ausgeladen wurden. Die Band stand unter dem Verdacht, der rechtsextremen Szene nahezustehen. Deswegen verzweigerten andere Künstler:innen ihre Zusage zum Konzert, sollte die Band ebenfalls teilnehmen. Kritische Stimmen monierten, dass hier eine Chance vertan worden sei, die Böhsen Onkelz und damit auch ihre Fans zurück ins Lager der Toleranten zu holen.
Auch hinterfragten manche den grundsätzlichen Sinn hinter einer solchen Veranstaltung. Sie fragten sich, ob solche Events am Ende wirklich für mehr Toleranz sorgten oder die Botschaft dadurch vielmehr verwässert würde. Gerade die Vielzahl an Veranstaltungen, die in diese Richtung gingen, könne dem Anliegen womöglich letztlich mehr schaden als helfen.
Da mag durchaus etwas dran sein. Doch wenn es um so etwas Grundsätzliches wie die Ablehnung von rassistischer Gewalt und die Befürwortung von Toleranz geht, sollte dann wirklich berücksichtigt werden, dass manche möglicherweise genervt vom Thema sein könnten? Im schlimmsten Fall werden sie nicht zu den glühendsten Verfechter:innen von Toleranz, aber aus Trotz werden sie wohl kaum zu Rassist:innen – oder?
0 Kommentare