Vor dreiunddreißig Jahren, am 3. Oktober 1990, trat die „Deutsche Demokratische Republik“ der „Bundesrepublik Deutschland“ bei. Dies war ein Ergebnis der Friedlichen Revolution, an der sich 1989 und 1990 große Teile der ostdeutschen Bevölkerung beteiligten. Doch der Beitritt der DDR zur BRD und der Erhalt des Grundgesetzes waren nicht selbstverständlich. Über den Prozess und die Möglichkeit einer Wiedervereinigung rangen die Akteure lang und intensiv. Nicht alle waren sich darüber einig, dass Deutschland in der heutigen Form wiedervereinigt werden sollte. Zu den Kritikern zählten auch Teile der „Sozialdemokratischen Partei Deutschlands“. Wie stand die SPD zur deutschen Wiedervereinigung? Und wie war ihr Verhältnis zur ostdeutschen „Sozialdemokratischen Partei in der DDR“ (SDP)?
Die Vorgeschichte
Bereits 1963 skizzierte der Sozialdemokrat Egon Bahr das Konzept „Wandel durch Annäherung“. Der Konflikt der zwei Blöcke Ost und West schien jedoch festgefahren. Berlin war geteilt, die Bedrohung in Form von Raketen real. Die Kanzlerschaft von Willy Brandt konnte zwar eine Annäherung schaffen, diese blieb aber nicht von Dauer. Der sowjetischen Aufrüstung mit SS-20-Raketen begegnete die NATO mit einem Doppelbeschluss von 1979. Die SPD drängte weiterhin auf ein „Konzept der gemeinsamen Sicherheit“. Dabei blieb man auch im Austausch mit der „Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands“ (SED), was der SPD viel Kritik einbrachte.
Umdenken?
Die Partei hoffte darauf, durch ihren Kontakt zur SED Feindbilder abzubauen. In der westdeutschen Öffentlichkeit beäugte man diese Gespräche allerdings misstrauisch. Indem die SPD sich weniger der ostdeutschen Opposition und mehr der Regierung zuwandte, erschienen die Sozialdemokraten vielen zu einseitig.
Mit dem Jahr 1989 mehrten sich die Widerstände in Ostdeutschland. Auch in anderen kommunistisch regierten Staaten kam es zu Aufständen. Durch diese Entwicklungen geriet auch die westdeutsche SPD vermehrt in Rechtfertigungszwang. War ihre „Politik der kleinen Schritte“ gescheitert? Sollte es nun eher einen „Wandel durch Abstand“ geben?
Die SDP
Am 7. Oktober 1989 gründeten Markus Meckel und Martin Gutzeit die „Sozialdemokratische Partei in der DDR“ (SDP). Sie sollte kein Teil der westdeutschen SPD sein, sondern war die Neugründung einer sozialdemokratischen Partei in der DDR. Sie wurde zum neuen Ansprechpartner der westdeutschen SPD. Im Bezug auf eine mögliche Zusammenführung der beiden Parteien blieb man aber vorsichtig. Die ostdeutsche SDP ließ zunächst verlauten, man könne sich die Lösung einer Union vorstellen, ähnlich der CDU und der CSU.
Wiedervereinigung?
Währenddessen zeichnete sich im Frühjahr des Jahres 1990 ab, dass die Proteste in den kommunistischen Ländern nicht abreißen würden. Eine mögliche Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten zeichnete sich ab, blieb aber zunächst noch fraglich. In welcher Form sollte diese erfolgen? Wollte man lieber eine Zwei-Staaten-Lösung? Sollte die DDR dem Grundgesetz der BRD beitreten oder sollte eine neue Verfassung geschaffen werden?
Der Kanzlerkandidat der SPD Oskar Lafontaine lehnte eine direkte Wiedervereinigung ab. Er glaubte, sie würde die „falschen politischen Prioritäten“ setzen. Man könnte Ängste im Ausland vor einem „starken Deutschland“ schüren. Demgegenüber standen in der westdeutschen SPD zum Beispiel Willy Brandt und Hans-Jochen Vogel. Sie befürworteten eine schnelle Einheit. Ebenso argumentierten die ostdeutschen Sozialdemokraten Markus Meckel, Richard Schröder und Wolfgang Thierse. Auch beim Volk stieß Lafontaine mit seinen Vorstellungen nicht auf Gegenliebe. Zu groß war der Wunsch nach einer schnellen Wiedervereinigung, zu emotional aufgeladen war das Thema.
Trotz der innerparteilichen Spannungen versuchte man den Prozess der Wiedervereinigung aktiv mitzugestalten. Man wollte eine sozialverträgliche Wiedervereinigung und vermeiden, dass Menschen auf der Strecke blieben. Letztlich gelang es der SPD, wohl auch dank ihres Partei- und Fraktionsvorsitzenden Hans-Jochen Vogel, einige Nachbesserungen für den Einigungsvertrag durchzusetzen.
Ein Volk…
Schlussendlich wurde am 20. und 21. September 1990 der Einigungsvertrag der beiden deutschen Staaten ratifiziert. Damit war beschlossen, dass die DDR der BRD beitreten sollte. Eine Abstimmung über eine neue Verfassung sollte es nicht geben, das Grundgesetz blieb erhalten. Oskar Lafontaines Ansatz, eine Wiedervereinigung Deutschlands zumindest langsam durchzuführen, scheiterte. Mit großem Zuspruch in der Bevölkerung erfolgte am 3. Oktober 1990 die Wiedervereinigung. Was zu Beginn so unmöglich schien, war nun gesamtdeutsche Realität.
… eine SPD
Auch die west- und ostdeutsche SPD schlossen sich am 3. Oktober 1990 zu einer Partei zusammen. Die Idee einer Union wurde nicht verwirklicht.
In der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl im Dezember 1990 blieb sie erfolglos: Die CDU konnte mit Helmut Kohl erneut ins Kanzleramt einziehen. Die SPD hatte zwar zur deutschen Einheit beigetragen. Sie war jedoch durch innere Konflikte gebremst. Die Wünsche der deutschen Bevölkerung hatte die SPD wohl nicht ausreichend erkannt.
2 Kommentare
Tobi
21. Oktober 2020 - 19:50Hm wie die Wiedervereinigung wohl unter Helmut Schmidt oder irgendeinem SPDkanzler verlaufen wäre?
Uwe
16. Dezember 2023 - 23:59So kann man Geschichte auch verklären. Die schnelle Wiedervereinigung kann durch den Druck der Straße:
„Wir sind das Volk“ hieß es zuerst, daraus wurde „Wir sind ein Volk“ und schließlich „Kommt die D-Mark nicht zu uns, konnten wir zu ihr“. Eine konförderative Lösung, wie von Lafontaine und auch Modrow priorisiert war damit vom Tisch.
Es war eine rein wirtschaftliche Entscheidung, aufgezwungen durch das Volk der DDR, denn mit der Währungsunion zum 01.07.1990 gab es keine andere Möglichkeit mehr.
Der Beitritt zum Grundgesetz ermöglichte allerdings auch, den restlosen Ausverkauf der DDR durch die Treuhand und damit die Vernichtung von Milliarden an Werten und die Säuberung des Marktes mit Bereitstellung für die westdeutsche Industrie.