Demokratiegeschichten

Die Geschichte des Wahl-O-Mat

Seit dem 6. Februar 2025 ist der Wahl-O-Mat für die anstehende Bundestagswahl online. Was steckt hinter dem bekannten Angebot und wo liegen die Stärken sowie Schwächen des Wahl-O-Mat?

Grundidee und Ziele

Der Wahl-O-Mat ist eine sogenannte „Voting Advice Application“, also eine Wahl-Empfehlungs-Anwendung. Oder einfach gesagt: eine Wahlentscheidungshilfe. Diese wird von der Bundeszentrale für politische Bildung bereitgestellt für in Deutschland anstehenden Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen. Das bekannte digitale Angebot wurde insgesamt mehr als 130 Millionen Mal im Vorfeld von Wahlen genutzt.

Doch wie funktioniert der Wahl-O-Mat eigentlich? Nutzer*innen erhalten 38 Thesen zu verschiedenen Themen aus Bereichen wie Soziales, Wirtschaft und Umwelt. Diese Thesen können sie dann in die Kategorien „stimme zu“, „neutral“ oder „stimme nicht zu“ einordnen. Die sich aus dieser Auswahl ergebenen Standpunkte gleicht der Wahl-O-Mat mit den Aussagen der zur Wahl antretenden Parteien ab. Durch Unterschiede und Übereinstimmungen wird dann die Nähe zu den einzelnen Parteien festgestellt.

Die Thesen basieren auf den eigenen Aussagen der Parteien aus zum Beispiel den Partei- und Wahlprogrammen und werden für jeden Wahl-O-Mat durch ein breit gefächertes Team erarbeitet. Dazu gehören: Eine Redaktion aus 20 bis 25 Jung- und Erstwähler*innen. Mehrere Politikwissenschaftler*innen, Statistiker*innen und Pädagog*innen sowie Wissenschaftler*innen und andere Expert*innen aus verschiedenen Bereichen. Zudem ist natürlich der Träger, also die Bundeszentrale/Landeszentrale für politische Bildung beteiligt.

Redaktionsworkshop Europa 2024: Mitglieder der Wahl-O-Mat-Redaktion,
© Eric Greven/bpb

Grundgedanke hinter dem Wahl-O-Mat ist zum einen die Vermittlung von Informationen über die wesentlichen Inhalte der Parteien. Zum anderen soll die Kommunikation und Auseinandersetzung mit politischen Themen angeregt werden und das über das konkrete Wahlereignis hinaus.

Entstehung & Entwicklung

Vorbild für den Wahl-O-Mat ist der „StemWijzer“, welcher 1985 vom Instituut voor Publiek en Politiek (IPP) in Amsterdam als Instrument der politischen Bildung entwickelt wurde. In den Anfangszeiten war der „StemWijzer“ noch auf Papier und später Disketten, heute ist er, wie der Wahl-O-Mat auch wenige Wochen vor der Wahl im Internet zu finden.

Der Grundstein für den Wahl-O-Mat war der Projektkurs „Politik und Werbung“. Politologie-Studenten der Freien Universität Berlin haben im Rahmen des Kurses Konzepte für eine überparteiliche Kampagne entwickelt, die junge Berliner Nichtwähler*innen aktivieren sollten. Gefördert wurde der Projektkurs durch die Bundeszentrale für Politische Bildung. Die bpb bat daraufhin die im Kontext des Kurses entstandene studentischen Kommunikationsagentur „Politikfabrik“, eine deutsche Version des »StemWijzer« zu entwickeln.

Anhand der Wahlprogramme der Parteien stellt die „Politikfabrik“ damals noch 27 Thesen zur Beantwortung auf. Die Thesen wurden von den zur Bundestagswahl 2002 antretenden Parteien abgesegnet.

Der Wahl-O-Mat über die Jahre

Wie geplant konnte der Wahl-O-Mat erstmals zur Bundestagswahl 2002 genutzt werden. Zu heute unterschied er sich neben den nur 27 Thesen unter anderem dadurch, dass zunächst nur Parteien aufgeführt wurden, die bereits Teil des Parlaments waren oder in aktuellen Wahlumfragen mehr als drei Prozent erreichten. Die Premiere war ein großer Erfolg, das Angebot wurde 3,6 Millionen Mal genutzt.

Bereits im Jahr darauf wurde die Wahlentscheidungshilfe das erste Mal auf Landesebene eingesetzt, bei der Landtagswahl in Bayern.

Die eingeschränkte Auswahl der teilnehmenden Parteien wurde erst zur Wahl zum Europäischen Parlament 2009 angepasst. Von da an konnten alle Parteien, die mit einer Liste zur Wahl zugelassen wurden, sich am Wahl-O-Mat beteiligen. Ebenfalls seit 2009 ist die Anzahl der Thesen auf 38 festgelegt und die Parteien stellen Begründungen und Erklärungen zur Verfügung für ihre Position zu den Thesen.

Der Wahl-O-Mat wird immer wieder angepasst und verbessert, inzwischen ist er zum Beispiel als App verfügbar und enthält immer mehr Funktionen, durch die man sein Ergebnis interaktiver erforschen und analysieren kann. Unter anderem die Funktion „Parteienvergleich“ wurde in den letzten Jahren ergänzt, welche es Nutzer*innen erleichtert zu sehen, bei welchen Thesen (bis zu drei) Parteien mit der eigenen Wahl übereinstimmen oder sich unterscheiden und warum. Dies ist besonders hilfreich, denn die Argumente, weshalb eine Partei einer These zustimmt oder sie ablehnt, können sehr verschieden sein.

Wahl-O-Mat zur Abgeordnetenhauswahl Berlin,
© bpb/BILDKRAFTWERK/Zöhre Kurc

Kritik

So viel der Wahl-O-Mat auch genutzt wird, er ist nicht perfekt und wird durchaus auch kritisch betrachtet.

Zum einen wird er mit Vorwürfen der Zuspitzung und Trivialisierung konfrontiert. Es wird kritisiert, dass manche Problematiken zu stark vereinfacht werden und die Thesen sich oft nicht einfach mit ‚Ja‘ oder ‚Nein‘ beantworten lassen.

„Es wird nach Themen gesucht, bei denen es zwischen den Parteien die deutlichsten Unterschiede gibt.“

Frank Brettschneider im Interview

Dies ist ein weiteres Problem, auf das unter anderem der Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider hingewiesen hat. Denn nach diesem Prinzip bleiben oft Themen unberücksichtigt, die für die Menschen wichtig sind, aber zu denen die Ansichten der Parteien weniger gespalten sind. So erscheint es, als würde man nur zwischen ‚ganz links‘ oder ‚ganz rechts‘ unterscheiden.

Ebenfalls kritisch gesehen wird, dass der Wahl-O-Mat ausschließlich die Wahlversprechen und offiziellen Aussagen der verschiedenen Parteien berücksichtig, statt das tatsächliche Verhalten der Partei, beziehungsweise ihrer Mitglieder, mit einzubeziehen.

Verschiedene Versionen & Alternativen

Inzwischen gibt es einige „Voting Advice Applications“, die dem Wahl-O-Mat Konkurrenz machen. Dazu gehören unter anderem themenspezifische Angebote wie der Digital-O-Mat (Netzpolitik) oder WAHLTRAUT (feministische und gleichstellungspolitische Themen) sowie Angebote für bestimmte Wahlen wie der Lokal-O-Mat für die Kommunalwahlen.

Sehr spannend ist zudem das Konzept des Real-O-Mat, welcher das tatsächliche Abstimmungsverhalten der Fraktionen nutzt. Der Real-O-Mat beschäftigt sich also nicht mit den Wahlversprechen der Parteien, sondern gleicht die persönlichen Positionen der Nutzer*innen mit dem Abstimmungsverhalten der Parteien ab, die in der letzten Legislaturperiode im Bundestag vertreten waren. Konzentriert wird sich dabei auf aktuelle politische Themen.

Literatur:
https://www.bpb.de/themen/wahl-o-mat/326661/die-geschichte-des-wahl-o-mat/
https://www.sozwiss.hhu.de/institut/abteilungen/politikwissenschaft/politik-ii/prof-dr-stefan-marschall/forschungsprojekte/wahl-o-mat-forschung/was-ist-der-wahl-o-mat
https://www.bpb.de/themen/wahl-o-mat/
https://www.bpb.de/themen/wahl-o-mat/45292/die-entstehung-eines-wahl-o-mat/
https://www.sueddeutsche.de/politik/wahlomat-bundestagswahl-alternativen-1.5404896
https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/der-wahl-o-mat-und-das-problem-der-zuspitzung,UEEadRG
https://www.deutschlandfunkkultur.de/wahlomat-wahlen-parteien-100.html
https://www.polsoz.fu-berlin.de/polwiss/news/_Dateien_News/OSI-Zeitung-Ausgabe-27.pdf
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Anya H. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als studentische Hilfskraft.

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