Heute ist der Tag der Deutsch-Französischen Freundschaft. Zurück geht das auf den am 22. Januar 1963 geschlossenen Élysée-Vertrag. Einen Vertrag für eine Freundschaft schließen – ist sowas denn wirklich notwendig?
Der „Erbfeind“ nebenan
Die Freundschaft, die heute so natürlich erscheint, war 1963 alles andere als selbstverständlich. In den vergangenen 100 Jahren hatten Deutschland und Frankreich immerhin dreimal Krieg gegeneinander geführt: 1870/71 im Deutsch-Französischen Krieg, 1914-1918 im Ersten Weltkrieg und 1939-1945 im Zweiten Weltkrieg.
Zudem gingen die Kriege jeweils mit Gebietsverlusten, Besatzungen und Demütigungen einher. Zu letzteren zählte etwa die Proklamation des Deutschen Kaiserreichs 1871 in Versailles. Das Schloss war eigentlich der Sitz des französischen Königs.
Die neue Weltlage
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs änderte sich die politische Weltordnung grundlegend. Statt einer erhofften Phase des Friedens begann eine neue Phase des Konflikts – der Ost-West-Konflikt. In diesem sogenannten „Kalten Krieg“ führten die jeweiligen Seiten zwar keine direkten Kriege gegeneinander. Die Gefahr, dass ein Krieg ausbrechen könnte, war aber stets präsent.
Durch diese Bildung von Allianzen – USA und Verbündete auf der einen, Sowjetunion und Verbündete auf der anderen Seite – änderten sich die Beziehungen in Europa. Frankreich war in den Westen eingebunden, Deutschland jedoch geteilt. Durch Westdeutschland mit französischer, britischer und amerikanischer Besatzungszone und Ostdeutschland als sowjetische Besatzungszone bildeten verlief die Grenze der Fronten.
Aus französischer Sicht ergaben sich gleich mehrere Gründe, eine enge Beziehung zu Deutschland aufzubauen: Eine Stärkung des westlichen europäischen Verteidigungsbündnisses. Im Falle eines Kriegsausbruchs, so dachte der damalige französische Präsident Charles de Gaulle, könne sich Europa nicht auf die USA verlassen. Es wäre denkbar gewesen, dass diese bei einem Angriff der Sowjetunion nicht interveniert hätten. Umso wichtiger war es daher, Westdeutschland, das von den USA wieder aufgebaut (und gerüstet) wurde, auch in die europäische Allianz einzubinden.
Durch die Einbindung in die (europäische) Allianz verhinderte Frankreich zudem die Bildung einer Koalition gegen sich. Durch die neu erfahrene Anerkennung war es für Westdeutschland nicht nötig, sich Macht auf Kosten seines Nachbarn aufzubauen. Somit sicherte sich Frankreich indirekt auch vor einem zukünftigen deutschen Angriff ab. Oder vor einer Bündnispolitik, die es ausgeschlossen hätte, etwa im Falle eines deutsch-britischen Bündnisses.
Eine Aussöhnung in Schritten
So rational die Anfreundung erscheint, wäre sie wohl nicht ohne die beiden Staatsoberhäupter der jeweiligen Länder möglich gewesen. Für Frankreich war dies der bereits erwähnte Charles de Gaulle, für Westdeutschland Bundeskanzler Konrad Adenauer. Adenauer war Gegner des Nationalsozialismus, de Gaulle war eine Schlüsselfigur für die Befreiung Frankreichs von den Nationalsozialisten. Hätte einer von beiden einen anderen Hintergrund gehabt, wären die Verhandlungen und die Annäherung zweifellos wesentlich schwieriger geworden.
Der Unterzeichnung des Elysée-Vertrags gingen einige Schritte voraus. Dazu gehörte beispielsweise die Schuman-Erklärung des gleichnamigen französischen Außenministers von 1950. Auf diese geht die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl im Jahr 1951 zurück. Oder der sogenannte Saarvertrag, der 1956 den Verbleib des Saarlandes in der Bundesrepublik so regelte, dass beide Staaten ihre Einwilligung geben konnten.
Gegenseitige Besuche
Auch Adenauer und de Gaulle selbst hatten Schritte aufeinander zugemacht. 1958 lud der damalige französische Ministerpräsident den Bundeskanzler in sein privates Landhaus einlud. Dies war noch ein privates, kein Staatstreffen, doch galt trotzdem als große Geste.
Im Juli 1962 dann begab sich Adenauer auf Frankreichreise. Er besuchte mehrere französische Städte, in der Kathedrale von Reims nahm er mit de Gaulle an einer Versöhnungsmesse teil.
Bei seinem Gegenbesuch im September reiste de Gaulle durch Westdeutschland. Zum Abschluss hielt er in Ludwigsburg eine Rede an die deutsche Jugend, die mit folgenden Worten endete:
Die Zukunft unserer beiden Länder, der Grundstein, auf dem die Einheit Europas errichtet werden kann und muß, und der höchste Trumpf für die Freiheit der Völker bleiben die gegenseitige Achtung, das Vertrauen und die Freundschaft zwischen dem französischen und dem deutschen Volk.
Über die Freundschaft hinaus …: Deutsch-französische Beziehungen ohne Illusionen, hrsg. vom Deutsch-Französischen Institut Ludwigsburg, Stuttgart 1988, S. 66.
Der Élysée-Vertrag
Mit dem Élysée-Vertrag schufen Adenauer und de Gaulle das Fundament für die Deutsch-Französische Freundschaft. Gleichzeitig setzten sie damit auch einen wichtigen Meilenstein für die europäische Integration. Denn das bilaterale Abkommen wirkte über die beiden Nationen hinaus. Vom Erbfeind zum Freund – eine Geschichte von Versöhnung wie diese findet man selten.
Doch was steht im Élysée-Vertrag?
Unter anderem verpflichteten die Regierungen sich, sich in Fragen der Außen-, Europa- und Verteidigungspolitik, aber auch in Erziehungs- und Jugendfragen enger abzustimmen. Letzteres ist beispielsweise Grund dafür, warum an vielen Schulen heute noch Französisch als Fremdsprache unterrichtet wird. Oder warum 1963 das Deutsch-Französische Jugendwerk (DFJW) geschaffen wurde. In dessen Rahmen haben bis heute Millionen Kinder Kinder und Jugendliche an Deutsch-Französischen Austauschprogrammen teilgenommen.
Auch wenn es nicht immer einfach war: Die Deutsch-Französische Freundschaft hat sich gehalten. Und wird hoffentlich noch viele weitere Jahre andauern.
Der Tag der Deutsch-Französischen Freundschaft findet auch heute statt. Schaut doch mal, ob auch bei euch Aktionen zu diesem Anlasst stattfinden.
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