Vor 30 Jahren, am 3. Oktober 1990, wurden die BRD und die DDR wiedervereinigt. Wiedervereinigung: klingt gut – aber was bedeutet das eigentlich?
Spannend: Vom Mauerfall am 9. November 1989 haben wir klare Bilder im Kopf, selbst die nach ’89 Geborenen. Tanzende Menschen auf der Mauer, geöffnete Grenzübergänge, lange Trabi-Schlangen Richtung Westen.
Doch die Wiedervereinigung entzieht sich stereotypen Bildern. Denn Wiedervereinigung, dass erkannten viele Menschen bald nach dem 3. Oktober, geschah nicht von einem Tag auf den anderen. Wiedervereinigung, das war – manche sagen: ist – ein Prozess, der viele Jahre andauert(e).
Dieser Transformationsprozess setzte zwar mit der Wiedervereinigung ein. Doch prägte er intensiv die 90er-Jahre und das Leben der Menschen in beiden Teilen Deutschlands. Kaum zu glauben, dass wir über diesen bewegten Teil unserer Geschichte(n) so wenig reden und voneinander wissen.
So unterschiedlich wie die Menschen sind, so unterschiedlich sind die Geschichten, die sie – ihr! – über die 1990er Jahre, die Zeit der politischen und sozialen Umwandlung, die Jahre der Wiedervereinigung erzählen. Doch nur, wenn wir miteinander ins Gespräch kommen und uns zuhören, können wir an den Erfahrungen der anderen teilhaben. Und sie ein bisschen mehr verstehen lernen.
Wer trifft sich? Wer könnte Interesse an Austausch und Begegnung haben?
Ihr wollt euch austauschen, eine deutsch-deutsche Begegnung anschieben, aber wisst nicht mit wem? Oder habt im Bekanntenkreis niemanden, der aus dem anderen Teil Deutschlands kommt?
Möglicherweise gibt es in eurem Umfeld oder eurem Heimatdorf/eurer Heimatstadt Gruppen, die daran interessiert sein könnten.
- Kirchengemeinden: Insbesondere die evangelischen Kirchengemeinden hatten bereits lange vor der Wiedervereinigung Partnergemeinden im Westen. Auch wenn es nicht immer einfach war, hielten sie über die Grenze hinweg den Kontakt. Parallel wurden beispielsweise Veranstaltungen zur Friedensdekade durchgeführt. Gruppen, die sich innerhalb von Kirchengemeinden zusammenfinden und vielleicht Interesse am Austausch mit einer Gruppe aus einem anderen Bundesland hätten:
- Chöre: Fast jede Gemeinde hat einen eigenen Chor. Neben dem Austausch und den Gesprächsrunden könnte auch die Musik nicht zu kurz kommen: Wie wäre es mit einer gemeinsamen Probe oder vielleicht sogar einem gemeinsamen Auftritt?
- Rentnerkreise
- Konfirmandengruppen, Firmlinge, junge Gemeinden etc.: Die meisten Kirchengemeinden haben Jugendgruppen, die auch auf Fahren gehen. Solch eine Jugendfahrt könnte zur Partnergemeinde führen, mit einem gemeinsamen Programm vor Ort und evtl. Übernachten in Gastfamilien.
- Feuerwehr
- Partnerstädte: Die ältesten Patenschaften zwischen Ost- und Westdeutschland gehen bereits auf die Jahre vor dem Mauerfall zurück – 1986 Eisenhüttenstadt und Saarlouis sowie Wuppertal und Herford. Gerade in den ersten Jahren der Wiedervereinigung wurden die Städtepartnerschaften intensiv geführt; mancherorts gab es Hilfe im Aufbau eines neuen Verwaltungsapparats etc. Aber auch der Austausch und das Kennenlernen der alten neuen Nachbarn kam nicht zu kurz. Tauscht euch weiter aus und/oder belebt eure Städtepartnerschaften wieder! Der Austausch muss nicht auf Beamtenebene, sondern kann auch mit folgenden Gruppen erfolgen:
- Heimatvereine/Geschichtsvereine
- Jugendclubs
- Chöre
- Orchester
- Musikschulen
- Schulen
- Wandervereine
- Landfrauen
- Sportvereine
- Karnevals-/Faschingsvereine
- Bürgerinitiativen
- Fördervereine
- Arbeiterwohlfahrt
- Theatergruppen
Aktivitäten
Auch wenn es um das gegenseitige Fragen und Antworten geht, heißt das nicht, dass man sich dabei steif gegenübersitzen muss. Oder das klassische Interviews die einzige Form sind, die für Gespräche in Frage kämen. Ein paar Ideen von uns, wie man die Begegnungen etwas lockerer gestalten kann:
- Film- und Fotoschau: Ihr habt noch alte Fotos, Dias oder vielleicht sogar Filme aus der Zeit ab 1990? Dann veranstaltet einen gemeinsamen „Filmabend“, erzählt und erklärt euch, was es zu sehen gibt.
- Kamin- oder Lagerfeuer: Abhängig vom Wetter und den örtlichen Möglichkeiten. Aber bestimmt findet sich bei einigen von euch die Gelegenheit, ein Kamin- oder Lagerfeuer anzuzünden. Wenn dann noch jemand eine Gitarre auspackt, kann es mit dem Singen losgehen: Welche Lieder von früher haben wir alle, welche haben nur die einen oder die anderen im Kopf?
- Manchmal ist der Weg das Ziel: Bei einer Fahrradtour zur Partnerstadt wird schon die Fahrt zum Erlebnis.
- Mehr Anregungen für Aktivitäten und inhaltliche Ausgestaltung findet ihr in diesem Artikel.
Individualreisen
Gruppen sind euch zu viel und ihr wollt lieber alleine oder mit wenigen Leuten reisen? Wir hätten folgende Vorschläge für euch:
- Eine Radtour an der ehemaligen Grenze auf dem deutsch-deutschen Radweg (Teil des Iron Curtain Trail, als Karte zu empfehlen: „Europa-Radweg Eiserner Vorhang 3, Deutsch-Deutscher Radweg“), am „Grünen Band“ entlang oder in und um Berlin.
- Nicht nur mit dem Fahrrad, auch zu Fuß oder zu Pferd kann man sich entlang der ehemaligen Grenze bewegen.
Wo bekommt man finanzielle Unterstützung?
- Eine Möglichkeit ist, bei der Stadtverwaltung nachzufragen. Und das an beiden Orten: Falls die Partnergemeinde eingebunden wird, gibt es schon zwei Ansprechmöglichkeiten. Für ein gemeinsames Projekt oder eine gemeinsame Veranstaltung können Gemeinden auch finanziell zusammenlegen.
- Wer Veranstaltungen längerfristig plant, kann bei der Bundeszentrale für politische Bildung Unterstützung anfragen. (Antragsfristen beachten; die liegen oft im Vorjahr der geplanten Veranstaltung)
- Ferner haben auch die Landeszentralen für politische Bildung ggf. die Möglichkeit, Veranstaltungen mit historisch-politischem Schwerpunkt zu fördern. (auch Antragsfristen beachten)
- Ebenfalls lohnt es sich, bei den Bundesländern nachzufragen. Möglicherweise gibt es Fördertöpfe, auf die sie zurückgreifen können.
- Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur nimmt im Rahmen ihrer Förderprojekte/-themen immer wieder Förderanträge an. Anträge müssen immer im Sommer des vorhergehenden Jahres eingereicht werden.
- Wenn alle Stricke reißen, bleibt immer noch das Sammeln von Spenden auf eigene Initiative hin.
Zwei Organisationen, die sich mit dem Austausch zwischen Ost und West beschäftigen/Impulse:
Die Gründung der Akademie für Ost-West-Begegnungen e.V. baute auf eine intensive, langjährige Ost-West-Partnerarbeit auf. Ausgangspunkt dafür waren Kontakte eines kirchlichen Arbeitskreises aus Nordhausen (DDR) mit Mitgliedern der autonomen evangelischen StudentInnengemeinde Marburgs (BRD). Maßgeblich für die seit Mitte der 80er Jahre kontinuierlich durchgeführte Bildungsarbeit war das Interesse an der jeweils anders strukturierten Gesellschaft im benachbarten deutschen Staat.
Aus Unzufriedenheit darüber, wie sich die Wiedervereinigung entwickelt, wird im Jahre 1991 die Idee der FRAUENBRÜCKE OST-WEST geboren. Die überparteiliche Bürgerinneninitiative bietet Frauen aus Ost und West die Möglichkeit, Wissen und Erfahrungen auszutauschen, um die Perspektive der jeweils anderen kennen und verstehen zu lernen.
Hier ein paar Links zu Projekten, die in den letzten Jahren stattgefunden haben und zur Nachahmung geeignet sind:
- Seit 1989 treffen sich die Berliner Singakademie und die Singakademie zu Berlin und bilden den deutsch-deutschen Kammerchor. Dabei wird nicht nur gesungen, sondern sich auch über Ost-West ausgetauscht.
- Gemeinsam mit jungen Journalist*innen der ems-Electronic Media Schoon erstellte das ZDF eine heute.de-Serie zu 30 Jahren Mauerfall. Darin unterhalten sich Menschen mit dem gleichen Beruf, aber aus unterschiedlichen Teilen Deutschlands, über Ost und West.
- Zum 30. Jahrestag des Mauerfalls feierten der Berliner Bezirk Zehlendorf und Potsdam auf der Glienicker Brücke ein gemeinsames Fest. Mit festlicher Beleuchtung, einer Fotoausstellung, Vorführung und gemeinsamen Gottesdienst war die Veranstaltung ein voller Erfolg.
- Zwar mussten viele vor-Ort-Veranstaltungen abgesagt werden, doch das Bundesinnenministerium führt das Projekt „30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“ online fort.
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