Es ist ein Tag, an den in Deutschland nicht oft erinnert wird. Sozialdemokrat Philipp Scheidemann steht am 9. November 1918 an einem Fenster des Reichstages und ruft die Republik aus.
Der 9. November 1918, eine Zeitenwende, die vom Scheitern überschattet wird. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier will das nicht so stehen lassen. Zum 100. Jahrestag der November-Revolution 1918 hat er heute bei der Gedenkstunde im Bundestag die Erinnerung an die Kämpfer für die Demokratie in den Mittelpunkt gestellt. Gleichzeitig spannte er den Bogen zur Reichspogromnacht vom 9. November 1938, die sich in diesem Jahr zum 80. Mal jährt.
Der 9. November 1918 ist ein Stiefkind unserer Demokratiegeschichte
Bundespräsident Steinmeier plädiert für die Verankerung des 9. November 1918 als einen Meilenstein der Demokratiegeschichte in unserer Erinnerungskultur:
„[…] Der 9. November 1918 ist auf der Landkarte der deutschen Erinnerungsorte zwar verzeichnet, aber er hat nie den Platz gefunden, der ihm zusteht. Er ist ein Stiefkind unserer Demokratiegeschichte – eben auch, weil der 9. November tatsächlich ein ambivalenter Tag ist, weil er für Licht und für Schatten steht, weil wir jene Demokratie, die damals begann, fast nie von ihrem Anfang, sondern meist von ihrem Ende her denken. […]“
„[…] Der 9. November 1918 ist ein Meilenstein der deutschen Demokratiegeschichte. Er steht für die Geburt der Republik in Deutschland. Er steht für den Durchbruch der parlamentarischen Demokratie. Und deshalb verdient er einen herausragenden Platz in der Erinnerungskultur unseres Landes! Denn wer heute glaubt, unsere Demokratie sei doch mittlerweile eine Selbstverständlichkeit, und dieses Parlament ein Alltagsgegenstand, ganz wie ein altes Möbelstück, der schaue auf jene Tage! Nein, dieses Parlament ist keine Selbstverständlichkeit und erst recht keine Nebensache! Es ist eine historische Errungenschaft, und für diese Errungenschaft, für dieses Erbe müssen wir streiten, zuallererst in diesem Haus! […]“
Wir können lernen von denen, die vor uns kamen
Eine inspirierende Rede für alle, die aus der Geschichte der Demokratie Anregungen für ihr Handeln heute ziehen:
„ […] Das Denken und Handeln der Weimarer Demokraten wirkte über die Erste Republik hinaus. Die Mütter und Väter der Bundesrepublik, von denen viele in der Weimarer Zeit geprägt worden waren, konnten nach 1945 auf deren Kenntnissen aufbauen und aus ihren Irrtümern lernen. […] Gerade wenn wir uns an die mutigen Frauen und Männer von damals erinnern, wenn wir ihre Erfahrungen als unseren Fundus begreifen, dann habe ich die Hoffnung: Nicht nur unsere Institutionen sind fester und wehrhafter errichtet, sondern vor allem wir als Demokraten können lernen von denen, die vor uns kamen. Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie sind unser Erbteil von diesen Müttern und Vätern – lassen Sie es uns selbstbewusst beanspruchen, lassen Sie es uns klug und wachsam pflegen! […]“
Mehr finanzielle Mittel den Orten und den Protagonisten unserer Demokratiegeschichte
Steinmeier wünscht sich die Stärkung und Sichtbarmachung unserer Demokratiegeschichte von 1918 und 1989 in der Öffentlichkeit:
„ […] Ich wünsche mir, dass wir mehr Aufmerksamkeit, mehr Herzblut und, ja, gern auch mehr finanzielle Mittel den Orten und den Protagonisten unserer Demokratiegeschichte widmen! Für das Selbstverständnis unserer Republik sollten wir mehr investieren als nur in die Grablege von Königen oder die Schlösser von Fürsten! […]“
Die gesamte Rede finden Sie im Internet unter diesem Link.
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