Demokratiegeschichten

Dem Kanzler die Anerkennung verweigern – Konrad Adenauer und der Kölner Wahlkampf (II)

Teil I lest ihr hier.

Datei:Bundesarchiv Bild 183-R98038, Berlin, Abgeordnetenhaus.jpg
Sitz des Preußischen Landtags in Berlin, 1932; Foto: Bundesarchiv, Bild 183-R98038 / CC-BY-SA 3.0

Der Preußische Landtag kann aber nur von einem Dreiergremium aufgelöst werden, bestehend aus dem Landtagspräsidenten, dem Präsidenten des Preußischen Staatsrats und dem amtierenden Ministerpräsidenten. Anfang Februar 1933 sind dies Hanns Kerrl von der NSDAP, Konrad Adenauer und Franz von Papen, der in seiner Funktion als Reichskommissar für Preußen die Position des Ministerpräsidenten beansprucht. Obwohl er in dieser Konstellation sowieso überstimmt werden wird, weigert sich Adenauer bei einer Sitzung in Berlin, der Landtagsauflösung zuzustimmen. Er macht Bedenken bezüglich der Verfassungsmäßigkeit dieses Vorgehens geltend, da er bezweifelt, dass von Papen überhaupt berechtigt ist, die Position des Ministerpräsidenten einzunehmen. Nichtsdestotrotz beschließen die beiden anderen die Auflösung des Preußischen Landtags zum 4. März.

Auch mit Blick auf den „Schießerlass“ an die preußische Polizei, durch den Beamte keine Konsequenzen nach dem Waffengebrauch mehr befürchten müssen, stellt sich Adenauer den Nationalsozialisten nun in den Weg. Dieser Erlass diene einzig und allein dazu, Morde im Namen der NSDAP zu legalisieren. Außerdem warnt er, die Anwesenheit von „Hilfspolizisten“ der SS und SA in den Wahllokalen würde die Freiheit der anstehenden Wahl massiv gefährden. Doch die Regierung vertröstet den Oberbürgermeister von Köln mit Ausreden, um Zeit bis zum erhofften Wahlsieg zu gewinnen. Dann wäre ihre „nationale Revolution“ endgültig legitimiert und Einwände wie die Adenauers wären dann hinfällig.

Wahlkampf 1933

Bundesarchiv, Bild Bild 102-02970: Ein Wahllokal in Berlin.

Ein verzweifelter Wahlkampf beginnt, den Adenauer in erster Linie in Köln austrägt. So am 7. Februar, als er als ein Hauptredner auf der großen Kölner Wahlkampfveranstaltung des Zentrums spricht. Er beschwört seine Parteikollegen, sich auf die bürgerlich-konservativen Werte und Normen ihrer Partei zu besinnen, und hält ein Plädoyer für Recht, Ordnung und Verfassungstreue. Aber von einem freien Wahlkampf kann in diesen Wochen nicht mehr die Rede sein. So werden politisch unliebsame Zeitungen verboten, SA-Männer stören Wahlkampfveranstaltungen und die Kommunisten gelten nach dem Reichstagsbrand ohnehin reichsweit als vogelfrei. An dieser Situation ändert auch Adenauers Verbot einer Beflaggung mit Hakenkreuzfahnen nichts.

Die Reichstagswahl am 5. März bringt der NSDAP in Köln ein Drittel der Stimmen, woraufhin diese bis zur Kommunalwahl eine Woche später noch rigoroser gegen ihre Feinde in der Stadt am Rhein vorgeht. Der Wahlslogan der Nationalsozialisten macht ihr wichtigstes Ziel deutlich: „Fort mit Adenauer! […] Nationalsozialisten ins Rathaus!“ Mit dieser Parole arbeiten sie schon seit Ende der 1920er Jahre gegen Adenauer und das Zentrum in Köln, doch nun ist ein neuer Höhepunkt der Anfeindungen erreicht. SA-Männer sammeln auf der Straße Geld für die „Kugel für Adenauer“ und ein SA-Trupp dringt zum angeblichen „Schutz“ seiner Familie in sein Privathaus ein. Adenauer bleibt nichts anderes übrig, als nun das Behängen städtischer Gebäude mit Hakenkreuzfahnen zuzulassen. Die Polizei teilt mit, im Falle einer Verweigerung stehe sie nicht zu seinem Schutz zur Verfügung.

Letzter Verteidigungsversuch

Trotzig plant Adenauer, sich und seine Arbeit als Oberbürgermeister auf einer letzten großen Kundgebung zu verteidigen. Doch die Rede, mit der er sich gegen Vorwürfe gegen seine Person verteidigen möchte, kann er nicht mehr halten. Die Nationalsozialisten verbieten die Versammlung wegen Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Stattdessen findet eine nächtliche Kundgebung der NSDAP auf dem Neumarkt statt. Verzweifelt versucht der Oberbürgermeister noch, seine Botschaft über Flugblätter unter die Leute zu bringen.

Am 12. März, dem Wahlsonntag, tritt Adenauer auf einer Gedenkfeier für die Soldaten des Ersten Weltkriegs zum letzten Mal als Oberbürgermeister von Köln auf. Die Teilnehmenden meiden ihn bereits überwiegend. Abends geht er ein letztes Mal in sein Arbeitszimmer im Rathaus, packt seine persönlichen Dinge und schließt das Gebäude hinter sich ab. Wie zu erwarten, unterliegt die Zentrumspartei bei diesen entscheidenden Kommunalwahlen. Die Parteien der „nationalen Revolution“ haben sich nun auch in Köln durch einen unfairen Wahlkampf die parlamentarische Mehrheit verschafft.

Einen Tag später wird Adenauer unter dem Jubel Tausender Kölner:innen seines Amtes als Oberbürgermeister enthoben. Da ist der Zentrumspolitiker schon auf dem Weg nach Berlin, um sich bei seinem obersten Vorgesetzten, dem preußischen Innenminister Hermann Göring, über die Vorgänge in Köln zu beschweren. Dieser winkt ab, bezichtigt Adenauer sogar, fünf Millionen Reichsmark aus der Kölner Stadtkasse gestohlen zu haben, und konfrontiert ihn mit seinen Respektlosigkeiten gegenüber der NSDAP und dem Reichskanzler. Nicht viel später wird Adenauer auch aus dem Amt des Präsidenten des preußischen Staatsrates entfernt, zusätzlich wird ein Dienststrafverfahren gegen ihn eingeleitet.

Glaube an die Demokratie: ein Risiko

13. CDU-Bundesparteitag 1965, Konrad Adenauer am Rednerpult; Foto: Bundesarchiv, B 145 Bild-F019973-0017 / Gerhard Heisler / CC-BY-SA 3.0.

Adenauers Glaube, dass sich selbst die Nationalsozialisten an die grundsätzlichen Regeln des Rechtsstaats halten werden, wirkt aus heutiger Sicht naiv. Doch in seiner Zeit ist er damit durchaus nicht allein. Außerdem spricht diese Hoffnung auch für die tiefe innere Überzeugung Adenauers, dass der Rechtsstaat und die damit verbundenen Werte und Normen überzeitliche Gültigkeit haben. Diese Auffassung bewahrt sich der Kölner Politiker, obwohl alle Zeichen dagegen sprechen.

Es ist schwer einzuschätzen, inwiefern Adenauer bereits an seinem historischen Vermächtnis arbeitet, als er sich letztlich von realpolitischen Überlegungen verabschiedet und sich derart öffentlich gegen die Politik der Nationalsozialisten und Adolf Hitler persönlich stellt. Doch selbst wenn ihn solche Hintergedanken motivieren sollten – es ändert nichts daran, dass er sich und seine Familie dadurch einem hohen Risiko aussetzt. Dies im Glauben an die eigenen demokratischen Überzeugungen zu tun, erfordert mutige Entschlossenheit.

Mit dem Untergang der Weimarer Republik stellen deren Feinde auch den Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer politisch kalt. Zumindest zunächst, denn wie die demokratischen Werte der Republik wird er nach zwölf Jahren der Diktatur und der Rechtlosigkeit auf die politische Bühne zurückkehren, um als erster Bundeskanzler ein neues republikanisches Deutschland zu regieren.

Bei diesem Text handelt es sich um einen Auszug aus der Publikation Vorbilder der Demokratiegeschichte. Handlungen und Einstellungen, die beeindrucken und Orientierung geben können. Diese und weitere Veröffentlichungen von Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. können kostenfrei in der Geschäftsstelle bestellt werden und stehen hier zum Download zur Verfügung.

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Über uns 
Ulli E. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als Projektkoordinator im Bereich Demokratiegeschichte.

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