Am 18. September 1961 geht die Nachricht um den Erdball: Das Flugzeug der UN, mit Dag Hammarskjöld und 15 weiteren Menschen an Bord, ist in der Provinz Katanga in Afrika kurz vor der Landung abgestürzt. Man fand das Flugzeug ausgebrannt und die Toten ringsum verstreut. Die Aufklärung des Absturzes wurde deutlich verzögert und Ergebnisse geheim gehalten. Heute steht fest, dass Hammarskjöld einem Attentat zum Opfer fiel. Dabei hatten verschiedene Interessenten ihre schmutzigen Hände im Spiel. Die Erschütterung über diesen Tod war weltweit. In den Medien erschienen Schlagzeilen und Nachrufe, die das außerordentliche Ansehen dieses Mannes sichtbar machten. 1961 wurde Hammarskjöld postum der Friedensnobelpreis zugesprochen.
Dag Hammarskjöl – Der zweite Generalsekretär der Vereinten Nationen
Der Schwede Dag Hammarskjöld war nach außen hin ein disziplinierter und zurückhaltender Mensch. Als er im April 1953, damals noch stellvertretender schwedischer Außenminister, zum wichtigsten Mann der Weltorganisation ernannt wurde, galt er zunächst als schwacher Kandidat. Zu Beginn seiner Amtszeit traute man ihm nicht die Härte zu, die zur Lösung internationaler militärischer Konflikte erforderlich war. Dabei hatten die Großmächte seiner Wahl nur zugestimmt, weil Hammarskjöld der Ruf eines Verwaltungsbeamten anhing. Ihn zu kontrollieren sollte nicht allzu schwer fallen. Doch Hammarskjöld erwies sich durch sein diplomatisches Geschick bei der Freilassung amerikanischer Piloten aus chinesischer Gefangenschaft 1955 in der Folge des Koreakrieges sowie durch sein beherztes Eingreifen in der Suez-Krise schnell als selbstbewusster Politiker. Die Skepsis ihm gegenüber schlug in Respekt um.
Hartnäckigkeit statt Härte mit Hilfe der „vertraulichen Diplomatie“
Leitmotiv seiner Arbeit war stets die Diplomatie der Versöhnung. Seine „vertrauliche Diplomatie“ basierte auf der Autorität des Generalsekretärs als unabhängigem Organ der Vereinten Nationen sowie der persönlichen Integrität und Reputation des Amtsinhabers. Diese neue diplomatische Technik wurde von Hammarskjöld eingeführt. Erstes und bekanntestes Beispiel ist seine Peking-Mission von 1955. Hammarskjöld betrachtete vertrauliche Diplomatie als Gegenstück zur Konferenzdiplomatie der Vereinten Nationen, die seiner Ansicht nach nicht mit der Charta vereinbar war. Zudem war sie Gegenstück zur Geheimdiplomatie. Die von ihm bevorzugte vertrauliche Diplomatie entsprach dagegen eher seinem dynamischen Verständnis der UN. Darin erblickte er größere Chancen für die Kompromissbereitschaft von Konfliktpartnern. Er selbst definierte diese Form der Diplomatie als:
„diplomacy where you can nuance what you say with all the richness which is possible in a private talk, where you can retreat without any risk of losing face and where you can test out ideas, it beeing unterstood als only a testing out of ideas and not an putting forward of proposals.“
in Brian Urquhart: Hammarskjold. 1994, S. 255.
Die zwei Schritte der vertraulichen Diplomatie
Hammarskjöld ging bei der vertraulichen Diplomatie in zwei Schritten vor. Zunächst setzte er auf die vertrauliche Atmosphäre nicht-öffentlicher direkter Verhandlungen. Sein Ziel: niemand sollte diplomatisch das Gesicht verlieren. Nach der Erzielung eines Ergebnisses folgte eine umfassende Information der Öffentlichkeit durch eine betont konstruktive Zusammenarbeit mit den Medien. Hammarskjöld sah darin im Zeitalter der Massenmedien eine unabdingbare vertrauensbildende Maßnahme, um den diplomatischen Vereinbarungen die notwendige demokratische Legitimität und Tragfähigkeit zu verschaffen.
Anwalt der Dritten Welt
Nach seiner Wiederwahl 1957 machte Dag Hammarskjöld sich vor allem zum Anwalt der Dritten Welt. Das stieß nicht nur bei den Kolonialmächten auf Widerstand, sondern auch bei der Sowjetunion, die ihren Einfluss auf die nach Unabhängigkeit strebenden Länder ausdehnen wollte. Im Herbst 1960 forderte der sowjetische Staats- und Parteichef Chruschtschow in der UN-Vollversammlung den Rücktritt des Generalsekretärs. Dieser sei ein Repräsentant der kapitalistischen Länder. Hammarskjöld lehnte ab.
„Es ist nicht die Sowjetunion oder eine andere Großmacht, welche die Vereinten Nationen zu ihrem Schutz braucht. Es sind alle anderen. Ich werde daher auf meinem Posten bleiben als Diener der Organisation im Interesse all dieser anderen Nationen, solange sie es wünschen.“
Hammarskjöld auf der UN-Vollversammlung 1960
Seine Überzeugungen waren stets Grundlage seines politischen Handelns
Dag Hammarskjölds Amtsausübung beruhte im Wesentlichen auf seiner kulturellen und politischen Verwurzelung in westlichen Werten, christlicher Religion sowie seiner biographischen Prägung. Dabei spielte seine Auffassung vom „International Civil Servant“ eine zentrale Rolle. In einem Interview zum Amtsantritt in New York sagt er einmal, dass es zwei Glaubenssätze habe. Mit denen sei er durch sein Elternhaus geprägt, aufgewachsen und für ihn zählten sie noch immer.
Zum einen:
Der selbstlose Dienst am Vaterland bzw. an der Menschheit. Der Dienst setzt das Opfer persönlicher Interessen ebenso voraus wie die Bereitschaft, unbeirrbar für seine Überzeugung einzustehen. Mit seinen Bemühungen zur Entwicklung des internationalen zivilen Beamtentums prägte Hammarskjöld dieses Prinzip ganz entscheidend und versuchte den Prototyp des „International Civil Servant“ vorzuleben, der den Dienst an der Gemeinschaft als Berufung empfindet.
Zum anderen:
der zweite durch sein Elternhaus geprägte Glaubenssatz: dass im radikalen Sinne des Evangeliums alle Menschen als Kinder Gottes gleich sind und dementsprechend behandelt werden sollen.
Nach seinem Tod wurde in Hammarskjölds Wohnung in New York sein Tagebuch gefunden. Darin wird deutlich, was bislang nur wenige enge Vertraute wussten. Hammarskjöld war ein tief religiöser Mensch.
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