Demokratiegeschichten

CSD: Christopher Street Day

Ende April erinnerten wir bereits an die erste Schwulendemo Deutschlands in Münster. Heute thematisieren wir den Ursprung einer anderen, aber verwandten Demo. Es geht um den Christopher Street Day oder kurz CSD. Die Ursprünge desselben liegen in den USA.

Alles begann in der Nacht vom 27. auf den 28. Juni 1969 in New York. Im Stonewall Inn wehrten sich Homo- und Transsexuelle gewaltsam gegen eine Polizeirazzia. Mehrere Tage lang lieferten sie sich Straßenschlachten mit der Polizei. Aus dem Aufstand entwickelte sich eine landesweite Bewegung für die Rechte Homosexueller, in deren Verlauf sich immer mehr Vereine gründeten. Nur ein Jahr nach dem Aufstand gründete sich so auch das Christopher Street Liberation Day Committee, welches seitdem die alljährlichen Gedenkfeiern in NY ausrichtet.

Erinnerung in Deutschland

In Deutschland begann das öffentliche Gedenken 10 Jahre nach den Ereignissen im Stonewall Inn. 1979 fand die erste Gay Pride in Bremen und Berlin statt. In Berlin kamen damals 450 Teilnehmende zusammen.

Hauptbühne am Brandenburger Tor

Dieses Jahr läuft die Veranstaltung in Berlin unter dem Motto „Stonewall 50 – Jeder Aufstand beginnt mit deiner Stimme„. Ein Highlight ist der Umzug vom Kurfürstendamm bis zum Brandenburger Tor, wo auch die Abschlusskundgebung stattfinden wird. Zahlreiche Fußgruppen und Wägen werden für gleiche Rechte auf die Straße gehen. Und dabei ohne Zweifel auch bunt und sehr laut feiern: Zum CSD in der Hauptstadt werden etwa eine Million Besucher*innen erwartet. Damit ist die Berliner Parade das größte Event der LGBTI*-Community in Deutschland.

Krikik am CSD

Das Wachstum des Christoper Street Days hat allerdings auch zu Kritik geführt. Seit den 1990er Jahren werden immer wieder Vorwürfe zur Kommerzialisierung laut. Was als Protestbewegung einer Minderheit begann, sei heute ein professionell vermarkteter Karneval für die Massen. Von dem politischen Charakter sei kaum etwas übrig geblieben.

1997 fand zum ersten Mal der transgeniale CSD statt. Als Reaktion auf eine überzogen empfundene Polizeibewegung organisierte ein abgespaltener Zugteil einen spontanen Umzug durch Kreuzberg. Ein Jahr später fand der alternative politische Umzug dann geplant statt, damals noch in Kooperation mit dem großen CSD. Allerdings nahm die Kooperation zwischen den Veranstaltungen stetig ab, bis sie ganz versickerte.

Auch der transgeniale CSD – zwischendurch als Kreuzberger CSD, dieses Jahr als Libertarian CSD bekannt – hat übrigens mit seinen Problemen zu kämpfen. Nachdem es 2016 zu antisemitischen Redebeiträgen kam, fanden sich für die folgenden zwei Jahre keine Organisator*innen.

Was bedeutet der CSD heute?

Bei aller Kritik um Kommerz und Charakter des Christopher Street Days sollte man eines nicht vergessen: Dass sich heute knapp eine Millionen Menschen – queer und nicht – auf der Straße treffen und die LGBT*-Community feiern, war zur Zeit der ersten Paraden noch unvorstellbar. Und dass der politische Charakter des Umzugs teilweise verloren geht, liegt auch daran, dass bereits einige Rechte erkämpft wurden.

Straße des 17. Juni, Blick Richtung Siegessäule

Natürlich bedeutet das nicht, dass Forderungen nach weiteren Rechten und Gleichberechtigung auf dem CSD keinen Platz mehr haben. Schließlich ist dieser das Event mit der größten Reichweite, bzw. Sichtbarkeit, das die LGBT*-Community veranstaltet. Gesehen und gehört werden sowie miteinander ins Gespräch kommen (und Vorurteile abbauen) geht kaum anderswo so einfach.

Für die einen Karneval, für die anderen politische Plattform: Kann und muss der Christopher Street Day beides erfüllen? Was denkt ihr?

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Über uns 
Annalena B. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als Projektkoordinatorin im Bereich Demokratiegeschichte.

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