Nein, heute geht es mal nicht darum, was vor 100 Jahren geschah, sondern vor 95. Und wir schauen weder nach Weimar noch nach Berlin, sondern nach Magdeburg. Dort wurde am 22. Februar 1924 das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Bund der republikanischen Kriegsteilnehmer gegründet. Wer war diese Organisation, wogegen war sie und wofür? Und wie wird heute an sie erinnert?
Bilden
Ein Blick in die erste Ausgabe der Zeitung „Das Reichsbanner“ vom 15. April 1924 beantwortet die ersten drei Fragen. Ein Ziel des Reichsbanners ist es, „mit den Mitteln der Aufklärung und Werbung für den republikanischen Gedanken“, dem, wie es weiter heißt „nationalistischen und bolschewistischen Demagogentum“ entgegenzutreten. Heute würde man vermutlich davon sprechen, politische Bildung gegen Populisten von rechts und links zu betreiben.
Und kämpfen
Allerdings bleibt das Reichsbanner dabei nicht stehen. Es ist kein Bildungsverein, sondern eine militärisch organisierte Schutztrupppe für die junge Demokratie, die bei „allen gewaltsamen Angriffen auf die republikanische Verfassung“ den „republikanischen Behörden“ helfen und „die Gegner der Republik niederkämpfen“ sollte. Dazu griff das Reichsbanner auf Menschen zurück, die kampferprobt waren, nämlich Teilnehmer des Ersten Weltkrieges. Die Reichsbanneraktivisten betrieben Kampfsport, Waffen waren offiziell nicht zugelassen.
Eigentlich gab es diese republikanisch gesinnten Zusammenschlüsse und Gruppen seit 1923 auf regionaler und lokaler Ebene schon. Am 22. Februar kamen sie in Magdeburg zusammen und gründeten einen republikweiten Verband.
Eine starke Truppe, aber ohne Frauen
Viele Weltkriegsteilnehmer schließen sich dem Verband an, vor allem aus der SPD, aber auch Mitglieder der Deutschen Demokratischen Partei und des Zentrums. Schon Ende 1924 sind es eine Million Reichsbannermitglieder, 1926 dreieinhalb Millionen. Damit ist das Reichsbanner rein zahlenmäßig dem kommunistischen Roten Frontkämpferbund (1927 etwa 110 000 Mitglieder) und dem rechtsextremen Stahlhelm (1930 etwa 500 000 Mitglieder) weit überlegen.
Frauen blieb eine Mitgliedschaft im Reichsbanner verwehrt. Dennoch konnte das Reichsbanner namhafte Unterstützerinnen gewinnen, wie z.B. Marie Juchacz. Die SPD-Politikerin rief Frauen in der Zeitung des Reichsbanners dazu auf, bei Wahlen und in politischen Fragen sich auf die Seite der Republik zu stellen.
Flagge zeigen
Um die republikanische Gesinnung öffentlich zu demonstrieren, zeigte das Reichsbanner bei Umzügen, Aufmärschen und Feiern stets die Farben Schwarz-Rot-Gold. Diese Farben waren die in der Weimarer Reichsverfassung festgeschriebenen Farben der Republik, die beim Hambacher Fest von 1832 zum ersten Mal gezeigt worden waren. Die Gegner der Republik aus dem rechten Lager versammelten sich dagegen unter den Farben des Kaiserreiches Schwarz-Weiß-Rot.
Ende mit Schrecken
Für die Reichsbannermänner wurde es ab 1930 immer lebensgefährlicher. Der Straßenterror der SA nahm zu, fast täglich kam es zu Auseinandersetzungen. Das Reichsbanner stellte Eliteeinheiten auf. Auch die Bewaffnung nahm immer mehr zu. Am 16. Dezember 1931 bildete das Reichsbanner mit dem Arbeiter-Turn- und Sportbund (ATSB), dem Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB) und der SPD die „Eiserne Front“. Das Reichsbanner übernahm die wehrtechnische Leitung. Das konnte aber den Siegeszug der Nationalsozialisten nicht mehr aufhalten.
Nach der Machtübertragung an Adolf Hitler am 30. Januar 1933 wurden Reichsbanner und Eiserne Front verboten. Mitglieder beider Organisationen wurden systematisch verfolgt, in Konzentrationslager verschleppt und oft auch ermordet. Manche der ehemaligen Reichsbannerleute gelang die Flucht ins Ausland. Andere blieben trotz Verfolgung in Deutschland und leisteten Widerstand gegen den Nationalsozialismus.
Das Reichsbanner heute
Im Jahr 1953 wurde das Reichsbanner neu gegründet. Der Verein heißt heute „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Bund aktiver Demokraten„. Er ist natürlich kein Kampfverband mehr, sondern leistet historisch-politische Bildungsarbeit. Die Bundesgeschäftsstelle des Vereins hat Ihren Sitz in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin.
Dort findet morgen auch die Festveranstaltung zum 95. Gründungsjubiläum statt. Gleichzeitig wird das Schaudepot des Reichsbanners in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand eröffnet, das vorerst immer Mittwochs und Samstags von 15.00 Uhr bis 18.00 Uhr besichtigt werden kann (für Gruppen auf Anfrage auch außerhalb dieser Zeiten).
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