„Jamaika-Aus“ war das Wort des Jahres 2017. Sehen wir es als ein Synonym für die Tatsache, dass der Kompromiss einer Koalition nicht zustande kam. Die Suche nach einem Koalitionspartner wurde 2018 weitergeführt und ging mit Kompromissen einher. Gibt man die Worte „Koalitionsvertrag 2018“ und „Kompromiss“ gemeinsam bei Google ein, kommt man auf 122.000 Ergebnisse. 2018 stand die große Koalition oft auf dem Prüfstand – hier gab es immer wieder Lob und häufig mehr Tadel für die gefundenen Kompromisse.
Der Kompromiss zählt nicht zu den deutschen Tugenden
Er zählt schon gar nicht zu den altgedienten politischen Instrumenten. Blicken wir in der deutschen Geschichte zurück, hielt man es eher mit Luthers „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“. Hier zählten die unbedingte Entschlossenheit und Prinzipienfestigkeit – im Kaiserreich und auch in der Weimarer Republik, im Nationalsozialismus sowieso. Der Kompromiss war eine Sache für Schwächlinge, ganz zu schweigen von der Angst vor dem faulen Kompromiss
Die Bereitschaft zum politischen Kompromiss
100 Jahre nach dem Kaiserreich und der Weimarer Republik ging es 2018 im Ringen um eine neue Bundesregierung nicht nur um eine funktionierende Regierung, sondern es geht zuvorderst um eine Einigung. Es geht um Flexibilität und die Bereitschaft auch mal zu verzichten und einige Programmpunkte hinten anzustellen. Das setzt bei dem Einzelnen die Fähigkeit und den Willen zum Kompromiss voraus. Als Instrument der modernen Politik wird der Kompromiss zwar längst genutzt, ist in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit aber noch wenig populär. Es ist an der Zeit, politische Kompromisse nicht nur zu hinterfragen, zu analysieren und ggf. zu beschimpfen, sondern endlich auch einmal die demokratische Würde des Kompromisses zu unterstreichen.
Auf die Liste der Worte des Jahres hat es der Kompromiss seit 1971 noch nicht geschafft – nicht mal unter die zehn Besten. Vielleicht hat er ja im Jahr 2018 eine echte Chance.
1 Kommentar
Kerstin
28. November 2018 - 15:48Danke für die Anregung über das Wort Kompromiss nachzudenken. Ich fühlte mich ertappt, denn eigentlich bewundere ich eher die Leute wie Luther. Da steht der Held für seine Sache, trotzt all seinen Gegnern, riskiert seinLleben…aber es stimmt, Kompromisse fordern uns auch viel ab, tun manchmal richtig weh, aber sie ermöglichen unser zusammenleben.