„Meine Damen und Herren Abgeordnete, ich erkläre die erste konstituierende Tagung der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik der 10. Wahlperiode für eröffnet.“ Mit diesen Worten des damaligen Alterspräsidenten Lothar Piche begann heute vor 35 Jahren, am 5. April 1990, offiziell die Legislaturperiode der 10. Volkskammer der DDR. Dieser Moment hatte historische Tragweite, denn erstmals trat das Parlament der DDR als frei gewähltes Organ zusammen.
Zuammensetzung der neuen Volkskammer
Die 409 Abgeordneten der Volkskammer organisierten sich in acht verschiedenen Fraktionen. Die stärksten Fraktionen waren die der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands (CDU) und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Außerdem bildeten die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS), die Deutsche Soziale Union (DSU), die Liberalen, Bündnis 90 und Grüne sowie die Demokratische Bauernpartei Deutschlands mit dem Demokratischen Frauenbund Deutschlands (DBD/DFD) jeweils eine Fraktion.
Neues Staatsoberhaupt
Zur Parlamentspräsidentin wurde im zweiten Wahlgang die CDU-Politikerin Dr. Sabine Bergmann-Pohl gewählt. Durch eine Änderung der Verfassung war sie somit auch gleichzeitig das Staatsoberhaupt der DDR. In ihrer anschließenden Antrittsrede vor 35 Jahren bekannte sie sich zur Verantwortung, die nach den massiven Bürgerprotesten und dem Mauerfall der Vertretung des Volkes zugrunde lag. Deswegen war es ihr besonders wichtig, das Vertrauen der Bürger:innen in die Demokratie zu gewinnen und auszubauen: „Das zarte Pflänzchen Demokratie, das mehr als 50 Jahre überwinterte, ist uns nun anvertraut. Tragen wir mit unserer Arbeit den Frühling in das Land!“ Um dieses Ziel zu erreichen, setzte sie auch auf enge Zusammenarbeit mit der BRD.
Zusammenarbeit mit der BRD
Der Bundestag war nicht nur Vorbild für die Volkskammer – beispielsweise war die an diesem Tag verabschiedete Geschäftsordnung an ihn angelehnt – sondern nach kurzer Zeit auch enger Kooperationspartner. Schon in ihrer Antrittsrede plädierte Bergmann-Pohl dafür, „alsbald geregelte Beziehungen zum Deutschen Bundestag aufzunehmen“. So wollte sie dazu beitragen, „für die Einheit in Freiheit tätig zu werden“. Daher beschlossen sie und die damalige Bundestagspräsidentin Prof. Dr. Rita Süssmuth noch im selben Monat, in beiden deutschen Parlamenten einen Ausschuss „Deutsche Einheit“ zu gründen.
Erste und auch letzte frei gewählte Volkskammer
Demnach war schon von Beginn an klar, dass die Deutsche Einheit Kern der parlamentarischen Arbeit sein würde. Nur knapp zweieinhalb Monate nach der ersten Sitzung der Volkskammer, am ersten Juli 1990, trat die mit dem Bundestag beschlossene Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion in Kraft. Dadurch war die D-Mark offiziell auch in der DDR Zahlungsmittel. Nicht nur die Währung der DDR wurde so an die der BRD angeglichen, sondern auch das Wirtschafts- und Sozialsystem. Schließlich, in der Nacht zum 23. August 1990, beschloss die Volkskammer offiziell den Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland zum 03. Oktober 1990. Nach 164 Gesetzen und 93 Beschlüssen in einem halben Jahr löste sich die erste freie Volkskammer somit in ihrer letzten feierlichen 38. Sitzung am 02. Oktober 1990 selbst auf. Damit war der Weg zur Deutschen Einheit endgültig frei.
In der Mediathek des Bundestages gibt es einen Mitschnitt der Sitzung am 5. April 1990 – heute vor 35 Jahren.
0 Kommentare