Demokratiegeschichten

Neutralität in der politischen Bildung?

Das Thema Meinungsäußerungen, vor allem von Lehrkräften in der politischen Bildungsarbeit wird immer wieder intensiv diskutiert. Lehrpersonen sowohl in der schulischen als auch außerschulischen Bildung sind mit der Vermittlung der Grund- und Menschenrechte unserer Demokratie betraut. Dementsprechend ist es auch ein wichtiger Teil ihres Lehrauftrags, Aussagen und Meinungen, die die Menschenrechte angreifen oder infrage stellen, zu thematisieren. Dies wird in der heutigen Zeit immer mehr zu einer Herausforderung mit der Zunahme rechtsextremer Positionen in der Öffentlichkeit. Denn Lehrpersonen oder Bildungseinrichtungen, die gegen solche Positionen Stellung beziehen, werden vermehrt mit dem Vorwurf konfrontiert, sie würden gegen das staatliche Neutralitätsgebot verstoßen.

Wie genau sieht allerdings der rechtliche Rahmen aus, in dem Lehrpersonen sich hierbei bewegen können?

Rechtslage und Gebote

Beamtenrecht

Nach Beamtenrecht sind Lehrpersonen verpflichtet, ihren Lehrauftrag unparteiisch zu gestalten und sie dürfen in der Schule, egal ob im Unterricht aber auch außerhalb dessen keine Politik betreiben. Sollten sich Lehrpersonen politisch engagieren, müssen sie Rücksicht auf ihre Stellung gegenüber der Allgemeinheit und den Pflichten ihres Amtes nehmen
(§ 33 Beamtenstatusgesetz) und dementsprechend Zurückhaltung beziehungsweise Mäßigung wahren. Ihr Verhalten sollen sie nach der freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes richten und sich aktiv für die in der Verfassung festgelegten Werte einsetzen. Für angestellte Lehrer*innen gilt im Wesentlichen das Gleiche.

Schulgesetz

Das Schulgesetzt, welches die mit dem Schulbetrieb einhergehenden Rechte und Pflichten von Schüler*innen, Lehrer*innen und anderen Beteiligten regelt, basiert auf dem Grundgesetz und der Landesverfassung und ist dementsprechend individuell für jedes Bundesland. In den hier relevanten Aspekten stimmen sie jedoch größtenteils überein.

  • Die Schule verpflichtet sich, Offenheit und Toleranz zu wahren.
  • Die Schule respektiert verschiedene Meinungen, die sich im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung befinden. Schüler*innen dürfen nicht in eine bestimmte Richtung gelenkt und beeinflusst werden.
  • Lehrpersonen dürfen im Schulkontext keine politischen Äußerungen treffen, welche die Neutralität des jeweiligen Landes gegenüber Schüler*innen verletzen oder den politischen Schulfrieden gefährden.
  • Für Lehrpersonen ist ein Verhalten unzulässig, das den Eindruck vermittelt, dass sie sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung wenden (z.B. § 2 SchulG NW).

Grundgesetz

Lehrpersonen sowie Schüler*innen haben auch innerhalb des Unterrichts die Möglichkeit, das im Grundgesetz verankerte Recht auf Meinungsfreiheit auszuüben. Jedoch wird dieses durch das eben aufgeführte Beamten- und Schulrecht zulässig eingeschränkt. Diese Einschränkung muss jedoch verhältnismäßig und für Lehrer*innen und Schüler*innen zumutbar sein.

Beutelsbacher Konsens

Im Rahmen der Neutralitätsdebatte wird insbesondere auch gerne der „Beutelsbacher Konsens“ herangezogen. Dieser ist das Ergebnis einer Tagung von Politikdidaktiker*innen im Jahre 1976. Im Beutelsbacher Konsens wurde unter anderem das Überwältigungsverbot festgelegt. Dieses besteht, um Indoktrination zu vermeiden und Schüler*innen nicht an der Entwicklung einer eigenen Meinung und eines Urteils zu hindern. Das ebenfalls in diesem Kontext beschlossene Kontroversitätsgebot legt zudem fest, dass Sachverhalte, die in der Wissenschaft und in der Politik kontrovers sind, auch im Unterricht kontrovers dargestellt werden sollten. Der Beutelsbacher Konsens unterscheidet strikt zwischen Bildungsmaßnahmen wie der Entwicklung von Kritik- und Konfliktfähigkeit und Indoktrination. Trotzdem wird er immer wieder auch fälschlicherweise angeführt, um die Neutralität politischer Bildung anzuprangern.

Eine Neutralitätspflicht gibt es übrigens ausschließlich für staatliche Organe und Beamte. Sie wird durch die Rechtsprechung indirekt aus dem Grundgesetz hergeleitet.

Neutralität im außerschulischen Kontext

Auch für die außerschulische politische Bildung gibt es kein explizites, allgemeingültiges Neutralitätsgebot. Das gilt zumindest für die Auswahl der pädagogischen Vermittlungsformen sowie der Themen der verschiedenen Bildungsangebote. Das Spektrum der verschiedenen Träger politischer Bildung spiegelt die Vielfältigkeit der Angebote wider. So macht es beispielsweise einen Unterschied, ob es sich um einen öffentlichen oder freien Träger handelt. Öffentliche Träger vertreten in der Regel keine bestimmten Interessen. Freie Träger dagegen orientieren ihr Angebot an bestimmten Zielgruppen wie ihnen nahestehende Gruppen der Bevölkerung. Dies hat unter anderem einen Einfluss auf die thematische Orientierung, aber auch das Ausmaß an Neutralität der Angebote.

Fazit

Lehrpersonen, vor allem in der Schulbildung, werden dazu angehalten, in ihrer Tätigkeit als solche keine Politik zu betreiben, sondern Neutralität zu wahren. Jedoch ist es zur gleichen Zeit ihre Pflicht für die im Grundgesetzt festgeschriebene freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten. Treffen Schüler*innen also politische Äußerungen, haben Lehrpersonen durchaus das Recht, auf angemessene Art und Weise darauf zu reagieren, indem sie diese kritisch und diskriminierungssensibel thematisieren.

Literatur:
Was man sagen darf: Mythos Neutralität in Schule und Unterricht | Bildung | bpb.de
Neutralitätsgebot | Institut für Menschenrechte
Neutralitätsgebot (Grundbegriffe der Politischen Bildung)
Das Neutralitätsgebot in der Bildung
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Über uns 
Anya H. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als studentische Hilfskraft.

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