Demokratiegeschichten

Vom radikalen zum friedlichen Revolutionär – Friedrich Siegmund Jucho

Friedrich Siegmund Jucho war ein essenzieller Teil der Frankfurter Nationalversammlung und hat somit die Revolution 1848/49 persönlich erlebt. Man kann ihn als Vertreter des Bürgertums sehen und unter diesem Aspekt seinen Werdegang analysieren.

Friedrich Siegmund Jucho wurde am 4. November 1805 in Frankfurt am Main geboren. Er wuchs in bürgerlichen Verhältnissen auf und wurde durch diese stark geprägt. Nach Abschluss der Schule studierte er 1823 Rechtswissenschaften in Halle. Kaum in Halle angekommen, verstärkte sich sein Wunsch, sich politisch zu engagieren, weshalb er sich der alten Halleschen Burschenschaft anschloss. Aufgrund der Karlsbader Beschlüsse wurde Jucho von der Universität Halle verwiesen, denn diese verboten von nun an die Burschenschaften.

Es zeigt sich schon damals eine hartnäckige Seite Juchos, die sein weiteres Leben entscheiden prägte. Denn als er kurzerhand 1824 den Studienort wechselte, schloss er sich dort erneut einer Burschenschaft an, der Jenaischen. Nach zwei Jahren Aufenthalt in Jena zog Friedrich Jucho nach Gießen und trat auch in dieser Stadt einer Studentenverbindung bei. Er promovierte 1827 an der Universität in Gießen.

Frankfurter Wachensturm 1833. Quelle:
Francois Georgin, gemeinfrei

Im gleichen Jahr wurde er zum Advokaten, sodass er 1829 die alte Gießener Burschenschaft Germania verließ und in seinen Geburtsort Frankfurt am Main zurückkehrte. Seine politische Tätigkeit nahm erneut Fahrt auf, denn er wurde Führer der freiheitlichen Bewegung von Frankfurt und Umland. Zusammen mit seinen Jugendfreunden Funck und Sauerwein leitete er die radikale Partei, wobei er die Organisation übernahm. Jucho nahm im Rahmen dieser Partei 1832 am Hambacher Fest teil.

Verhaftet nach dem Wachensturm

In dieser Periode zeigte er sich außerordentlich politisch aktiv, denn im gleichen Jahr schloss er sich als Mitglied dem Presse- und Vaterlandvereins und dessen Frankfurter Filiale an. Diese Filiale wurde auch als sogenanntes „Mittwoch College“ betitelt. Zudem unterstützte er durch Vereinsmittel politisch Verfolgte. Diese Unterstützung fiel ihm später jedoch zur Last, als er 1834 verhaftet wurde, da vermutet wurde, er habe aufständischen Beteiligten beim Frankfurter Wachensturm zur Flucht verholfen.

Beim Wachensturm handelt es sich um einen gescheiterten Putschversuch am 3. April 1833 mit dem Versuch, den Bundestag in Frankfurt zu besetzen, die Geldvorräte der Banken zu beschlagnahmen und anschließend eine republikanische Regierung durchzusetzen. Jucho wurde von den Behörden auch deshalb mit dem Putsch in Verbindung gebracht, weil es das primäre Ziel der Aktion war, die Journalisten Johann Christoph Freyeisen und seinen alten Schulfreund Johann Friedrich Funck zu befreien. Die Verbindung zu Jucho war demnach in den Augen der Behörden offensichtlich.

Reichsgesetzblatt mit der Reichsverfassung der Frankfurter Nationalversammlung. Quelle: gemeinfrei

Dies bestritt Jucho jedoch auch in späteren Jahren noch, da er sich von solchen gewalttätigen Aktionen ganz bewusst abgrenzte. Eine politische Veränderung sollte man in seinen Augen friedlich erreichen. Den Respekt vor staatlichen Institutionen kann man klar als Resultat seines privilegierten Elternhauses sehen. So kennzeichnete diese Haltung auch seine spätere politische Entwicklung in der Nationalversammlung. Er stand jedoch sehr wohl in engem Kontakt mit anderen Gleichgesinnten aus der Umgebung, wie Friedrich Ludwig Weidig, sodass er sich selbst gut vernetzte und an Relevanz gewann, was sich bei den späteren Wahlen für die Nationalversammlung auszahlte.

Seine radikale politische Periode wurde durch die Verhaftung nach dem Frankfurter Wachensturm frühzeitig beendet. Der Wachensturm und ein anderer Fall, welcher die Behörden auf Jucho lenkte, führten zu einer Durchsuchung seines Wohnsitzes. Hier fand man umfangreiche Indizien für seine politischen und rebellischen Aktionen der letzten Jahre. Jucho kam für fünf Jahre in Haft und wurde am 25. Mai 1839 wieder entlassen.

Für allgemeines und gleiches Wahlrecht

1840 war Jucho wieder als Rechtsanwalt in Frankfurt am Main tätig. Erst 1846/47 schloss er sich wieder einigen Aktionen der Vormärz-Bewegung an. Dass er kurz nach Entlassung aus der Haft seinen Beruf als Rechtsanwalt fortführen konnte, belegt seine Privilegien als Teil des Bürgertums, ein Sicherheitsnetz zu haben, falls es zu Komplikationen in der politischen Laufbahn kam. 1848 übernahm er im Vorparlament die Aufgabe des Protokollanten und wurde am 28. April 1848 als Abgeordneter der Freien Stadt Frankfurt am Main, dem Zentrum seiner politischen Aktivität, in die Nationalversammlung in der Paulskirche gewählt. Nach einiger Zeit schloss er sich der Fraktion Westendhall an, die Volkssouveränität und ein allgemeines, gleiches und direktes Wahlrecht forderte.

Ende November unterstütze Jucho als Teil der Westendhall die sogenannten Märzvereine. Diese hatten sich zum Ziel gesetzt, ihre demokratischen Ideen gegen die Mehrheit der Paulskirche durchzusetzen und die während den Märzrevolution gewonnene demokratische Freiheit zu bewahren.

Karikatur zu Friedrich Sigmund Jucho, dem Nachlassverwalter der Nationalversammlung. Quelle: CC BY-SA 3.0

Als Schriftführer der Nationalversammlung übernahm er das Eigentum und Archiv des Parlaments nach dessen Auflösung. Es beinhaltete unter anderem die originale Verfassungsurkunde, welche Jucho nach England schickte. Die genauen Beweggründe dieses provokanten Verhaltens sind nicht bekannt. Man könnte vermuten Jucho war sich der Bedeutung der Nationalversammlung als Grundbaustein einer Demokratie bewusst und wollte die offiziellen Dokumente präventiv vor Diskreditierung schützen.

1852 zahlten sich seine Sicherheitsmaßnahmen aus, denn er wurde des Archivs, inklusive der Verfassungsurkunde, gewaltsam enteignet. Einige Jahre später zog er sich endgültig aus der aktiven Politik zurück. Seine letzte politische Aktion bestand darin, 1870, zwei Jahre vor seinem Tod und ein Jahr vor der Reichsgründung, die Verfassungsurkunde dem Präsidenten des Deutschen Bundes, Eduard von Simon, zu übersenden. Dieser übergab sie anschließend dem Archiv des Deutschen Reichstags.

Friedrich Siegmund Jucho besaß großen revolutionären Geist. Vor allem in den Anfängen der Revolution bemühte er sich stets um aktives politisches Handeln. Obwohl er aus heutiger Sicht keine signifikante Schlüsselfigur der Revolution von 1848 war, haben Menschen wie er dazu beigetragen, dass die Grundbausteine für eine Demokratie gelegt wurden. Trotz des Scheiterns der Revolution hatte sie weitreichende Folgen für die deutsche Geschichte.

Man erreichte partielles Wahlrecht, Mitbestimmung von privilegierten Gruppen und ein Gefühl von Einigkeit, das es so bisher kaum gegeben hatte. Die Nationalversammlung, die wohl größte Errungenschaft der Revolution, war ein wichtiger Schritt Richtung Moderne und die Entstehung der Demokratie. Auch jeder scheinbar entbehrliche Teilnehmer an der Revolution hatte seinen Anteil daran. Friedrich Siegmund Jucho veranschaulicht eine Art Musterbeispiel eines Revolutionär und half dabei, die Revolution ein paar Schritte näher an ihr Ziel zu bringen.

Die Autorinnen: Florentine Faulstroh und Alexa Veit, Geschichte LK/Q2, Anna-Schmidt-Schule Frankfurt am Main

Dieser Beitrag ist Teil des Projekts „Geist der Freiheit“. Es hat Akteur*innen verschiedener Bereiche in der Rhein-Main-Region eingeladen, an einer Zeitung zum Revolutionsjubiläum 1848/49 mitzuwirken. Sie berichten über Orte, Ereignisse und Personen der Zeit und fragen, was uns die Revolution auch nach 175 Jahren heute angeht. Acht Beiträge von Schüler:innen der Anna-Schmidt-Schule erscheinen in Kooperation mit Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. vorab auf dem Blog „Demokratiegeschichten“. Das „Extrablatt im Geist der Freiheit“ ist kostenfrei bei der KulturRegion FrankfurtRheinMain erhältlich. Weitere Informationen finden Sie hier.

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