Viele Menschen vereint ein Unbehagen an der derzeitigen politischen Situation. Sie sind erschüttert über Rassismus, Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit, darüber, dass demokratiefeindlichen Einstellungen auch Taten folgen. Zugleich gibt es ein Gefühl, dass etwas fehlt, dass es nicht reicht, nur Missstände anzuprangern.
Eine positive Identifikation mit Demokratie
Ferda Ataman, Mitgründerin der Neuen Deutschen Medienmacher*innen, hat diesem Gefühl in der Kolumne „Dagegen sein reicht nicht“ Ausdruck verliehen:
„Fällt es Ihnen auch leichter zu sagen, wofür Sie nicht sind, als wofür? […] Dummerweise funktioniert das Dagegensein auch bei Demokrat*innen gut. Seit Jahren lassen wir uns von Rechtsextremisten die Agenda diktieren oder arbeiten uns an neuen Tabubrüchen ab, statt eigene Ideen auf den Tisch zu werfen. […] Doch auf Dauer hat diese Herangehensweise einen Haken: Sie bringt uns nicht voran. Wer ausschließlich mit Dystopien arbeitet, wer antifaschistisch, antikapitalistisch, anti irgendwas argumentiert, bleibt in der negativen Erzählung […]. Statt immer nur dagegen zu argumentieren, dürfen wir – gerade jetzt – nicht vergessen, auch eigene, positive Leitbilder für unsere Zukunft anzubieten.“
Trotz bestehender Missstände und notwendiger Fundamentalkritik daran bedarf es eben auch positiver Impulse. Wer der Meinung ist, dass es in diesem Land mehr engagierte Demokratinnen und Demokraten geben sollte, muss diesen entsprechendes Rüstzeug geben. „Zusammenhalt braucht Zuversicht“ – mit diesen Worten schließt der Jenaer Politikwissenschaftler Matthias Quent ein Buch über Rechtsextremismus in Deutschland. Doch wie können solche positiven Impulse aussehen?
Demokratieförderung durch Geschichts-vermittlung
Ziel der neuen von Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. herausgegebenen Publikation ist es, einen kleinen Beitrag zur Beantwortung dieser Frage zu leisten. Dabei bringt sie zwei Themenkreise miteinander in Verbindung: Zum einen die Diskussion um sogenanntes „best practice“ – Einstellungen und Handlungen anderer Menschen, die beeindrucken und Orientierung geben können. Oftmals wird hier auch der Begriff „Vorbilder“ verwendet.
Zum anderen die Beschäftigung mit Demokratiegeschichte als einem Element historisch-politischer Bildung: „Die Auseinandersetzung mit der Demokratiegeschichte gehört zur Demokratiebildung“, heißt es einer Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft Orte der Demokratiegeschichte. „Es geht darum, Demokratie in ihrer historischen Entwicklung und in ihren verschiedenen Facetten zu verstehen, sie einordnen zu können, zu erleben, eine Haltung zu gewinnen und danach zu handeln.“
Von der Person zur Handlung
Die von der Beauftragten des Bundes für Kultur und Medien geförderten Publikation Vorbilder der Demokratiegeschichte. Einstellungen und Handlungen, die beeindrucken und Orientierung geben können gliedert sich entsprechend dieser Themenkreise in zwei Teile.
Im ersten Teil der Broschüre möchten wir zunächst verschiedene Helden- und Vorbilderbegriffe vorstellen und diskutieren. Diese Überlegungen führen uns im nächsten Schritt dazu, verstärkt vorbildhafte Eigenschaften und Handlungen statt Gesamtpersönlichkeiten im Sinne einer vorbildhaften Lebensleistung zu würdigen. Wie dieser Fokus auf konkretes vorbildhaftes Handeln speziell für demokratische Werte und Überzeugungen aussehen kann, wird im Anschluss verhandelt. Der erste Teil der Publikation schließt mit Überlegungen ab, welche (erwünschten) Wirkungen sich aus einer solchen Auseinandersetzung mit vorbildhaften demokratischen Handlungen ergeben können.
Beispiele aus der Demokratiegeschichte
In zweiten Teil möchten wir anschließend die vorangegangenen theoretischen Überlegungen mithilfe zwölf ausgewählter historischer Beispiele illustrieren. Diese verstehen wir als eine Möglichkeit der historisch-politischen Bildungsarbeit im Bereich der Demokratieförderung durch Demokratiegeschichte. Die Kapitel dieses Teils der Publikation beschäftigen sich mit verschiedenen Phasen der deutschen Demokratiegeschichte vom 19. bis zum 21. Jahrhundert, die wir von Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. bereits in früheren Publikationen erarbeitet haben. Sie lauten (1) Demokratie erkämpfen, (2) etablieren, (3) leben gestalten und weiterentwickeln sowie (4) verteidigen und verlieren.
Unsere Auswahl ist dabei selbstverständlich stark subjektiv und erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr möchten wir sie als Anregungen verstanden wissen, wie die von uns vorgeschlagene Perspektive auf konkrete Handlungen in der historisch-politischen Bildung umgesetzt werden kann. Deshalb haben wir uns in diesem Teil der Publikation für eine weniger wissenschaftliche Herangehensweise entschieden. Deshalb verzichten wir dort beispielsweise weitestgehend auf Fußnoten. Weiterführende Literaturhinweise und Quellen zu den einzelnen Beispielen finden sich im Literaturverzeichnis am Ende der Publikation.
Wir würden uns freuen, wenn die Lektüre Anstoß dazu geben könnte, selbst darüber nachzudenken, welche Einstellungen und Handlungen aus Geschichte und Gegenwart die Leserinnen und Leser beeindrucken. Die publizierten Beispiele sind ausdrücklich als erster Aufschlag zu verstehen. Wir wären dankbar, wenn uns noch viele weitere mitgeteilt würden. Diese könnten dann unter anderem hier auf dem Blog veröffentlicht werden. Wir selbst werden in den kommenden Wochen Auszüge aus Vorbilder der Demokratiegeschichte hier bloggen.
Diese und weitere Publikationen können kostenfrei in der Geschäftsstelle von Gegen Vergessen – für Demokratie e.V. bestellt werden und stehen hier zum Download zur Verfügung.
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