„Mannheim. Die auf den ‚berüchtigten‘ roten Plakaten erschienene Ankündigung, daß unser Münchner Parteigenosse Hermann Esser hier öffentlich sprechen werde, hatte die Mannheimer Judenschaft in keine geringe Aufregung versetzt.“
Anfänge der NSDAP
Das schreibt der nationalsozialistische „Völkische Beobachter am 26. April 1922. Redakteur Hermann Esser gehört zu den ersten Gefolgsleuten Adolf Hitlers, auch er ist er als Redner und antisemitischer Hetzer gefürchtet und berüchtigt. Demokraten, Anhänger der Republik, die vom „Völkischen Beobachter“ pauschal als Juden diffamiert werden, wehren sich gegen den Auftritt Essers.
Tatsächlich gelingt es ihnen, dass die Veranstaltung durch die Polizei abgebrochen wird. Der „Völkische Beobachter“ reagiert so:
„Da auch diese Versammlung wieder gezeigt hat, daß die staatlichen Schutzorgane kein Ohrwaschel rühren, wenn Nationalsozialisten von Juden und deren Söldlingen auf das schwerste bedroht werden, und wir nur auf unsere eigene Stärke und Kraft angewiesen sind, fordern wir auch an dieser Stelle alle geeigneten Parteigenossen auf, sich unserer Sturmabteilung anzuschließen und dafür zu sorgen, daß auf einen groben Klotz in Zukunft ein noch viel gröberer Keil kommt.“
Auf- und Ausbau der SA
Der Bericht benutzt die Vorfälle in Mannheim, um für die eigene Bewaffnung zu werben, für die „Sturmabteilung“ SA, wie der zuvor „Turn- und Sportabteilung“ genannte Saalschutz seit Spätherbst 1921 heißt. Hermann Ehrhardt, der am Kapp-Putsch 1920 beteiligt war und die Geheimorganisation Consul leitet, bildet sie militärisch aus. Und die SA wächst beständig. Im Dezember 1922 berichtet der „Vorwärts“ aus München:
„Am Sonntag veranstalteten die Nationalsozialisten in zwei Sälen eine Weihnachtsfeier, bei der Adolf Hitler die ‚Jul‘-Rede hielt. Die Sturmabteilung zog in militärischer Kolonne, etwa 900 Mann stark, durch die Stadt, wobei die kaiserliche Kriegsflagge vorangetragen wurde. […] Vor dem Hofbräuhaus nahm Adolf Hitler unter den Klängen des Präsentiermarsches die Parade seiner Getreuen ab. Der Zug bewegte sich innerhalb der Bannmeile des Landtags. Angeblich soll der Landtagspräsident seine Erlaubnis dazu gegeben haben. Am Abend vorher hatte ein Generalappell aller bayerischen Sturmabteilungen stattgefunden […]. Hitler erklärte, den Kampf mit der Vereinigten Sozialdemokratie aufnehmen zu wollen. […] Hitler tritt jetzt sehr elegant auf, im Gehrock und Bügelfalte, ganz Nachahmung von Mussolini.“
Hitler-Putsch in München
Knapp ein Jahr später, im November 1923, auf dem Höhepunkt der Inflation, versammeln sich Hitler und seine Gefolgsleute in München zum „Marsch auf Berlin“ – nach dem Vorbild von Mussolinis „Marsch auf Rom“ 1922. Sie scheitern nach nur wenigen Metern, Hitler wird verhaftet und seine Partei verboten. Hitler wird 1924 wegen Hochverrats verurteilt, allerdings nur zu fünf Jahren Haft. Bereits nach acht Monaten wird er wegen guter Führung entlassen.
Umformung zur „Führer“-Partei
Im Februar 1925 gründet er die NSDAP neu und entmachtet die parteiinterne Konkurrenz: Hitler wird zum unumstrittenen „Führer“ seiner Partei, dem die immer zahlreicher werdenden Anhänger ab 1926 mit einem eigenen „Führergruß“ huldigen. Seine Auftritte werden stets begleitet von Aufmärschen der SA, der mittlerweile 15.000 Männer angehören.
Bei den Reichstagswahlen hat die NSDAP keinen Erfolg: 2,6 Prozent erreicht sie 1928, während die SPD als Wahlgewinnerin auf 29,8 Prozent kommt.
Zweitstärkste Partei hinter der SPD
Doch der Schein trügt: Im September 1930, in der Weltwirtschaftskrise, kommt die Partei mit einem Schlag auf 18,3 Prozent und ist mit nur noch 6 Prozent Abstand auf die weiterhin führende SPD zweitstärkste Partei. Die bürgerliche Presse reagiert dementsprechend erschrocken.
„Wie aber wäre es, wenn Hitler jetzt wirklich die Möglichkeit erhielte, die Macht zu ergreifen? Beteiligung an einer parlamentarischen Regierung hieße für ihn, den Verneiner und wilden Feind des Parlaments, nichts anderes als Vorbereitung des gewaltsamen Umsturzes des Staates eben mit den Machtmitteln des Staates selbst. Es wäre der Weg in die Revolution, in den Bürgerkrieg. Dieser Staat und alle, die zu ihm halten, aus innerem Glauben und aus der realen Einsicht in das Notwendige, haben darum die Pflicht, den Nationalsozialisten zu wehren, gerade und erst recht nach dieser Wahl. Denn dieser Staat und diese Verfassung haben auch nach den gestrigen Wahlen im deutschen Volke eine Mehrheit.“
Das schreibt die liberale „Frankfurter Zeitung“ nach der Reichstagswahl 1930.
Deutschlandfunk Kultur sendet in Kooperation mit dem Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung (Potsdam) ab dem 25. August 2021 jeweils mittwochs gegen 19:25 Uhr die Reihe „100 Jahre politischer Mord in Deutschland“ .
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