Ein Besuch im Hambacher Schloss? Dazu muss ich heute nicht erst in die Pfalz fahren. Seit dem 15. November 2018 kann ich virtuell dorthin reisen.
Die Plattform Google Arts & Culture macht es möglich. Google bietet seit 2011 Museen und Archiven kostenfrei die Digitalisierung von Kunst- und Kulturgütern an. Als erstes Projekt in Rheinland-Pfalz wurden jetzt virtuelle Rundgänge und Online-Ausstellungen in und um das Hambacher Schloss auf die Plattform gestellt.
Was gibt es zu sehen, zu hören, zu lesen?
Vier Online-Ausstellungen
Die erste Online-Ausstellung, die man findet, erklärt, wie das Schloss zum Symbol der Demokratiebewegung wurde. Dabei erfährt man, was es mit dem Hambacher Fest 1832 auf sich hat. Warum es zustande kam und wie es gefeiert wurde. Vorsicht, beim Durchklicken muss man nicht nur Bilder anschauen und Texte lesen. Plötzlich erklingen auch Lieder, die auf dem Fest damals gesungen wurden. Da kann man sich ganz schön erschrecken!
Die nächste Online-Ausstellung auf der Plattform zeigt mit Fotos und Videos die Geschichte der deutschen Bundesfarben von 1815 bis heute. Was das mit dem Hambacher Schloss zu tun hat? Ziemlich viel, denn immerhin wurden auf dem Hambacher Fest 1832 die Farben Schwarz, Rot, Gold zum ersten Mal als Trikolore, als drei gleich große Farbstreifen, für die Fahne verwendet. Und natürlich wehen die Bundesfarben auch heute auf dem Turm des Hambacher Schlosses. Und hier kann man virtuell ein 360 Grad-Panorama vom Turm genießen und dann scheint auch an Regentagen die Sonne über dem Pfälzer Wald – auf dem PC.
Eine weitere Onlineausstellung erläutert die verschiedenen Etappen zur deutschen Demokratie, natürlich spielt auch wieder das Hambacher Fest eine Rolle. Und, wer hätte das gedacht, bei der nächsten Ausstellung ebenso. Die beschreibt die Pressezensur im Vormärz, also in der Zeit des Hambacher Festes.
360-Grad-Panoramen
Nun gibt es noch eine Baugeschichte des Schlosses in Bildern und Fotos, viele davon wieder mit 360 Grad-Panoramablick. Dann kann man den Außenbereich des Schlosses, die Dauerausstellung sowie verschiedene Räume des Schlosses erkunden, wieder mit 360 Grad-Panoramen. Das macht Spaß, nur kann einem auch schwindlig werden, wenn man den Cursor zu schnell über den Bildschirm sausen lässt.
Zuhören geht auch
Wenn man lieber mal zuhören will, kann man sich auf dem Schloss gehaltene Reden aus zweihundert Jahren anhören, die meisten natürlich gelesen von Schauspielern. Es sind aber auch Originalmitschnitte dabei, nicht vom Hambacher Fest natürlich, sondern z.B. von der 175 Jahrfeier im Hambacher Schloss im Jahr 2007.
Auf der Plattform finden sich also eine Fülle an Text- und Bildinformationen. Wem das zu unübersichtlich ist, für den hier nochmal das Wichtigste in Kürze:
Warum ist das Hambacher Schloss nun digitalisiert ?
„Das Hambacher Schloss befindet sich im Herzen Europas, nicht nur geografisch. Es verkörpert als Erinnerungsort des Hambacher Festes von 1832 das Streben nach Demokratie und den europäischen Gedanken auf einzigartige Weise“, sagte die rheinlandpfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer zur Eröffnung des virtuellen Erinnerungsortes.
Was geschah 1832 und warum?
Ursprünglich sollte dort eine Feier zum Jahrestag der bayerischen Verfassung am 26. Mai stattfinden. Seit 1815 gehörte nämlich die Pfalz zu Bayern. Zuvor aber war sie fast 20 Jahre lang Teil der französischen Republik. Dort galt der Code Napoléon, ein bürgerliches Gesetzbuch mit vielen Freiheitsrechten. Ein liberales Bürgertum bildete sich heraus. Auch aus anderen deutschen Staaten zogen aufgeklärte und freiheitsliebende Bürger*innen in die Pfalz. Ab 1815 ging es freiheitsmäßig aber erst einmal bergab. Der bayerische Staat schränkte viele Rechte der Pfälzer*innen wieder ein. Als im Juli 1830 in Frankreich eine Revolution ausbrach und der französische König abdanken und fliehen musste, befürchtete der bayerische König Unruhen in der Pfalz. Deshalb zensierte er Zeitungen und Zeitschriften und schränkte die Vereins- und Versammlungsfreiheit immer mehr ein. Aus Protest gegen diese Entwicklung gründeten die Publizisten Philipp Jakob Siebenpfeiffer und Johann Georg August Wirth Anfang des Jahres 1832 den „Deutschen Preß- und Vaterlandsverein“, der schnell über 5.000 Mitglieder hatte.
Die Festidee wird gekapert
Siebenpfeiffer, Wirth und andere Liberale waren eigentlich nicht in Feierlaune. Aber sie nutzten die Idee des Verfassungsfestes, um auf die politische Unterdrückung aufmerksam zu machen. So luden sie für den 27. Mai 1832 zu einem Fest auf dem Hambacher Schloss ein, um, wie es in der Einladung hieß, für „die Erstrebung gesetzlicher Freiheit“ einzutreten. Zwar wurde das Fest verboten, aber liberale Juristen bombardierten die bayerische Regierung mit Rechtsgutachten, die das Verbot in Frage stellten. Am 17. Mai wurde das Verbot wieder aufgehoben. Das Fest konnte beginnen.
Das Fest und seine Folgen
Etwa 20 bis 30.000 Männer und Frauen aus der Pfalz und anderen deutschen Gebieten zogen zur Ruine des Hambacher Schlosses, außerdem Gesandte aus Frankreich und Polen. Bis zum 1. Juni 1832 blieben die Menschen dort, hörten über 20 Redner, diskutierten über Freiheitsrechte und einen deutschen Nationalstaat. Einig waren sich die Teilnehmer*innen nicht, es gab Forderungen nach Demokratie, andere stützten die Monarchie.
Auf das Fest in Hambach und einige ähnliche Zusammenküfte folgten kleine Aufstände, die aber schnell niedergeschlagen wurden. Siebenpfeiffer und Wirth mussten in die Schweiz fliehen, andere Mitwirkende des Hambacher Festes wurden verhaftet. Aber die auf dem Hambacher Fest geäußerten liberalen Ideen des Bürgertums lebten weiter, brachen sich 1848/49 Bahn und spielten auch 1918/19 wieder eine Rolle.
Das echte Schloss
Wem das alles noch nicht reicht, der sollte auch die Website des Gedenkortes Hambacher Schloss besuchen. Und dort erfährt man dann auch alles, was man über einen richtigen Schlossbesuch wissen muss. Denn die Digitalisierung ist ja schön ung gut, aber die echte Pfalz ist immer noch eine Reise wert. Und das Hambacher Schloss sowieso.
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