Heute vor 51 Jahren, am 25. April 1974, wurde das Ende der vier Jahrzehnte andauernden Diktatur in Portugal eingeläutet. Der Tag der Nelkenrevolution ist einer der wichtigsten in der jüngeren Geschichte des Landes und von großer Bedeutung für viele Portugiesinnen und Portugiesen.
Vorgeschichte – Der Estado novo
Die sogenannte erste Republik, die nach der Abschaffung der Monarchie in Portugal entstanden war, wurde 1926 durch einen Militärputsch beendet. In den Jahren darauf gründete der Wirtschaftsprofessor und zu der Zeit Finanzminister António de Oliveira Salazar die faschistische Partei União Nacional (1930). Er übernahm das Amt des Ministerpräsidenten (1932) und gründete 1933 schließlich offiziell den Ständestaat, welcher unter dem Namen Estado Novo bekannt ist.

Der Estado Novo war ein autoritäres, faschistisches Regime mit einer staatlich kontrollierten Planwirtschaft. Staatschef Salazar stützte seine Herrschaft auf eine kleine Oberschicht, die Kirche und hochrangige Militärangehörige. Das Volk dagegen wurde ungebildet, unmündig und in Armut gehalten. Politische Aktivitäten wurden unterdrückt und die Presse streng kontrolliert. Die Unterdrückung wurde vor allem über die Staatspolizei PIDE (vormals PVDE), welche nach dem Vorbild der Gestapo gestaltet wurde, ausgeübt. PIDE verfügte über Spezialgefängnisse, in denen Oppositionelle inhaftiert und gefoltert wurden. Durch ein Netzwerk von Informanten gelang es ihnen zudem, den öffentlichen sowie privaten Raum umfassend zu überwachen.
Portugal hielt als eines der wenigen Länder Europas noch weit nach dem Zweiten Weltkrieg an den Kolonien fest. Diese wurden im Salazar-Regime ausgebeutet, um die portugiesische Wirtschaft gut aussehen zu lassen. Doch ab den 1960er Jahren kommt es in Angola, Mosambik und Guinea-Bissau zu Aufständen und Forderungen nach Unabhängigkeit, die die portugiesische Armee versucht, gewaltsam niederzuringen. Die daraufhin über Jahre andauernden, opferreichen und sehr kostspieligen Kolonialkriege und die zunehmende Armut im Land lösten innerhalb der portugiesischen Bevölkerung starke Unzufriedenheit aus. Auch die Versuche, den Staat zu liberalisieren, die Salazars Nachfolger Marcelo Caetano ab 1968 anstellte, verbesserten die Stimmung kaum.
Die Rolle des Militärs
Besonders innerhalb des Militärs entstanden Widerstands-bewegungen gegen das Regime. Denn durch die Kolonialkriege herrschte ein Mangel an Offiziersnachwuchs. Eine Laufbahn, die eigentlich nur den Söhnen aus Familien der höheren Klassen gewährt war, wurde deshalb auch niedriger gestellten Männern eröffnet. Diese kannten die Armut und Ungerechtigkeit, die in Portugal herrschte, gut. Sie waren auch deshalb den Kriegen und den Machthabenden gegenüber besonders kritisch eingestellt. In den Reihen dieser jungen Männer bildete sich die Movimento das Forças Armadas, eine treibende Kraft des Widerstands und schließlich der Revolution.
Friedliche Revolution (in nur einem Tag)
Kurz nach Mitternacht am 25.04.1974 spielt der Radiosender „Rádio Clube Português“ das verbotene antifaschistische Lied „Grândola, Vila Morena“ des Dichters und Musikers José Afonso. Das Lied ist das Signal für die Putschisten innerhalb des Militärs bewaffnet und mit Panzern nach Lissabon zu ziehen und somit der Startschuss für die Revolution. Die Revolutionsanhänger beginnen damit, strategisch wichtige Orte in Lissabon zu besetzen, wie Ministerien, Presseinstitutionen und den Flughafen. Die Bevölkerung wird über das Radio dazu aufgerufen, ihr Zuhause nicht zu verlassen.
Doch während sich Diktator Caetano in der Innenstadt Lissabons verschanzt, stürmen Tausende Menschen auf die Straßen, um den Aufständischen zuzujubeln und die Revolution zu unterstützen. Frauen stecken Nelken in die Gewehre der Soldaten und kreieren das Symbol der Revolution. Gemeinsam mit dem Militär sichert die Bevölkerung den Erfolg der Revolution.

Die etwa 40 Jahre andauernde Diktatur wurde in weniger als einem Tag und weitestgehend friedlich beendet. Marcelo Caetano verließ das Land und seine Regierung kapitulierte.
Auswirkungen und Bedeutung
Die neue, vorübergehende Führung des Landes übernahm die Militärjunta Junta de Salvação Nacional. Ihr Hauptziel war die Entwicklung und Umsetzung einer demokratischen Verfassung und freier Wahlen. Diese neue portugiesische Verfassung wurde am 02.04.1976 verabschiedet. Am 25.04.1976, also genau zwei Jahre nach der Revolution, wählte die portugiesische Bevölkerung dann das erste Mal das neue Parlament.
Auch die soziale und wirtschaftliche Reformierung des Landes stand auf dem Programm. Außerdem wurde die Zensur aufgehoben und die Meinungsfreiheit wiederhergestellt. Durch die Nelkenrevolution wurde also ein grundlegender gesellschaftlicher und politischer Wandel in Portugal in Gang gesetzt.
Doch nicht nur innerhalb des Landes war die Nelkenrevolution von Bedeutung. Sie gilt als Start einer Demokratisierungswelle in Europa. Denn ebenfalls 1974 beendete Griechenland seine Diktatur und im Jahr darauf folgte die Franco-Diktatur in Spanien.
Im Jahr nach der Nelkenrevolution zieht Portugal zudem als letztes Land in Europa seine Truppen aus den Kolonien ab. Das Ende der Kolonialkriege, die Auflösung des portugiesischen Kolonialreiches und der daraus resultierenden Unabhängigkeit der ehemaligen Kolonien machen die Nelkenrevolution auch weltpolitisch zu einem wichtigen Ereignis.
Erinnerung in der Gegenwart
Die Bedeutsamkeit der Nelkenrevolution für die Portugiesen und Portugiesinnen ist bis heute zu sehen und zu spüren. Unzählige Straßen und Orte des Landes sind nach dem Tag der Revolution benannt. Unter anderem auch die bekannte Brücke Ponte 25 de Abril, die auf der Höhe von Lissabon über den Tejo führt. Das Lied der Revolution „Grândola, Vila Morena“, welches inzwischen fast den Status einer zweiten portugiesischen Nationalhymne hat, wird auf den vielen Umzügen, Demonstrationen und Festen gesungen, welche jedes Jahr anlässlich des Jahrestages der Nelkenrevolution veranstaltet werden.

Die Aufarbeitung der Diktatur und die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte erfolgt in Portugal nur schleppend. Immer wieder kam es in der Vergangenheit zur Heroisierung Salazars und zur Verdrängung seiner Verbrechen. Auch durch die fehlende Unterstützung für entsprechende Projekte von staatlicher Seite aus wurde eine intensivere Aufarbeitung der Vergangenheit erschwert.
Viele Jahre hielten die Portugiesinnen und Portugiesen mit Stolz rechtes Gedankengut aus ihrer Politik und verhinderten, dass rechtspopulistische Parteien sich ausbreiten können. Doch bei den Neuwahlen im vergangenen Jahr erhielt die rechtsextreme/rechtspopulistische Partei Chega etwas mehr als 18 % der Stimmen. Es lässt sich in der Gegenwart also nun auch in Portugal ein Rechtsruck beobachten.
Vor 50 Jahren: Nelkenrevolution in Portugal | Deine tägliche Dosis Politik | bpb.de
Nelkenrevolution: Portugal 50 Jahre nach der Diktatur - ZDFheute
https://www.tu-chemnitz.de/phil/iesg/professuren/swandel/projekte/erinnerung/estadonovo.htm
0 Kommentare