Demokratiegeschichten

18. März 1990: Zum ersten Mal frei wählen

Am 18. März 1990, heute vor 35 Jahren, konnten die Menschen in der damaligen DDR das erste Mal frei wählen.

Vorher undemokratisch

Laut der Verfassung der DDR waren die Wahlen frei und geheim, aber diesen Anspruch erfüllten sie bis 1990 in Wirklichkeit nicht. Die Wahlen waren deshalb nicht frei, weil sich sowohl die Wähler:innen als auch die zu Wählenden nicht frei entscheiden konnten, wen sie wählen wollten noch wer sich zur Wahl stellen durfte.

Die Wahlberechtigen in der DDR hatten keine echte Wahl, sie durften lediglich vorgefertigten Wahlvorschlägen (Einheitslisten) zustimmen. Dabei blieb die vorherrschende Stellung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) stets unangefochten. Die Ablehnung einer Einheitsliste war eher eine theoretische als eine praktische Möglichkeit.

Nicht geheim

Wirklich geheim waren die Wahlen auch nicht. Die Benutzung einer Wahlkabine galt schon als auffällig, wurde möglicherweise notiert und konnte negative Folgen haben. Da man bei einer Zustimmung zur Liste nichts ankreuzen musste, galt es als normal, den Wahlzettel einfach nur zu falten und in die Wahlurne zu werfen.

Hohe Zustimmungswerte, geschönte Ergebnisse

Da Abweichungen im Wahlverhalten genauso wie die Nicht-Teilnahme an einer Wahl auffielen und negative Folgen haben konnten, war die Zustimmung bei den Wahlen immer sehr hoch. Einen freien Willen des Volkes spiegelte das Ergebnis aber nicht wider. Außerdem gab es massive Wahlfälschungen, die selbst das zustimmende Ergebnis noch schönten und stets auf annähernd 100 Prozent erhöhten.

Zu freien Wahlen

Nach den letzten Kommunalwahlen in der DDR am 7. Mai 1989 hatte sich die Situation in der DDR jedoch entscheidend verändert. Angehörige der Oppositionsgruppen hatten die Auszählung der Stimmen in einer großen Zahl von Wahllokalen verfolgt. Sie konnten glaubwürdig eine Fälschung des Wahlergebnisses nachweisen.

Unzählige Protesteingaben an staatliche Stellen waren die Folge sowie landesweite öffentliche Aktionen gegen die Wahlmanipulation. Zahlreiche DDR-Bürger:innen kündigten infolgedessen ihre Loyalität zum Staat auf und schlossen sich den Protesten an. Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer.

Rund zehn Monate nach den Kommunalwahlen im Mai 1989 war die SED-Herrschaft vorbei. Am 18. März 1990 fanden freie Wahlen zur Volkskammer statt. Die Volkskammer der DDR wurde erstmalig nach demokratischen Grundsätzen durch die Bevölkerung gewählt.

Was die Wahl 1990 für die Menschen in der DDR bedeutete

Das erste Mal wirklich die Wahl haben! Einer, der sich und andere immer wieder an dieses erste Mal erinnert, ist der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck, der noch vor seiner Bundespräsidentschaft in seinem Buch „Winter im Sommer – Frühling im Herbst“ über „seinen“ 18. März 1990 schrieb:

„Dann kam der Wahltag, der 18. März 1990. Als ich meine Stimme abgegeben hatte und aus dem Wahllokal trat, liefen mir die Tränen über das Gesicht. Ich musste fünfzig Jahre alt werden, um erstmals freie, gleiche und geheime Wahlen zu erleben. Und nun hatte ich sogar die Möglichkeit, ein wenig an der politischen Gestaltung der Zukunft mitzuwirken. Seit 1933 hatten die Menschen hier nicht mehr Recht ausüben können, das ihre Vertreter zur zeitlich begrenzten Herrschaft berechtigte. Ich hatte nach all den Jahren nicht mehr damit gerechnet, ein Bürger, ein Wähler sein zu können. Es war eine Mischung aus Freude und Stolz in mir. Und ich war jenen dankbar, die daran mitgewirkt und dieses Land nun tatsächlich zu einer deutschen demokratischen Republik gemacht hatten. In diesem Moment wußte ich auch: Du wirst nie, nie eine Wahl versäumen.“

Joachim Gauck: Winter im Sommer – Frühling im Herbst. Erinnerungen. München 2009.


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Dennis R. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V.

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