„Am 1. Ostertage fand in Altjührden die Einweihung des Denkmals für die im Weltkriege Gefallenen statt. Ein aus Granit gehauenes Kreuz erhebt sich auf einem Sockel, und dies steht in einer aus Findlingen gebauten Wölbung. Die Gedenktafel weist die aus Grünenkamp und Altjührden stammenden Namen von 29 Gefallenen auf. Nach der Weiherede legten Mitglieder vom ‚Stahlhelm‘ und vom Kriegerverein Kranzspenden nieder. Das Denkmal macht einen schönen Eindruck.“
Das berichtet die „Oldenburger Zeitung für Volk und Heimat“ am 19. April 1922 aus Ostfriesland. Überall in Deutschland werden Denkmäler für die im Ersten Weltkrieg gestorbenen deutschen Soldaten errichtet und Gedenktafeln in Kirchen, Rathäusern und anderen öffentlichen Orten angebracht. Die Inschriften lauten:
„Den im Weltkriege gefallenen Helden zum Gedächtnis“
„Unseren tapferen Soldaten“
„Unseren treuen Toten“
„In Dankbarkeit ihren Kriegern gewidmet“
„Gefallen für Volk und Vaterland“
Gedenken, um zu verarbeiten
Hinterbliebene, Angehörige sowie Freunde der im Weltkrieg getöteten Soldaten erhalten auf den Veranstaltungen eine Möglichkeit, privates Leid gemeinsam zu verarbeiten. Für sie bedeuten die Denkmäler auch eine Sinngebung für den ansonsten sinnlosen Tod Tausender junger Männer. Zugleich bieten Kriegerdenkmäler und Gedenkfeiern auch eine Gelegenheit für Monarchisten und Nationalisten, ihre ablehnende Haltung gegenüber der Republik zum Ausdruck zu bringen. So zitiert die Zeitung der unabhängigen Sozialdemokraten, die „Freiheit“, am 14. April 1922 aus einem Telegramm an Paul von Hindenburg, das bei einer Gefallenenehrung im Zoologischen Garten in Berlin Versammelten verfasst worden ist:
„Die heute anläßlich eines Wohltätigkeitsfestes zur Ehrung ihrer Gefallenen im alten Preußengeist versammelten Angehörigen des früheren XXII. Reservekorps und ihrer zahlreichen Gäste […] sprechen Euerer Exzellenz als dem ruhmreichen Führer der unbesiegten deutschen Waffen ihre tiefste Verehrung und ihr vollstes Vertrauen aus und geloben, auch im Zivilrock stets Schirmer deutscher Waffenehre zu bleiben.“
Gedenken als Anlass für nationalistische Kundgebungen
Nicht nur in Preußen, auch in Baden beschwören die Festredner das angeblich unbesiegte Heer und die im Krieg bewährte Kameradschaft. Von den Reaktionen des Publikums berichtet das „Karlsruher Tagblatt“ am 11. Juni 1922:
„Die kernigen Ausführungen des Redners wurden jubelnd dankend aufgenommen. Gemeinsam wurde das Lied ‚Deutschland, Deutschland über alles‘ gesungen.“
Häufig wird bei solchen Anlässen eine „Schützengrabengemeinschaft“ beschworen, die angeblich aller Kriegstoten gleichermaßen gedenkt – was aber nicht stimmt. Der sozialdemokratische „Vorwärts“ weist am 10. Mai 1922 darauf hin, dass mancherorts „die Namen der gefallenen jüdischen Soldaten bewusst fortgelassen“ würden. Auch ein Vorfall im brandenburgischen Dahme belege den oftmals antisemitischen Charakter solcher Veranstaltungen.
„Nach der Denkmalsenthüllung fand .. in einem dortigen Hotel eine Feier statt, in deren Verlauf ein zufällig anwesender jüdischer Herr von zwei etwas angeheiterten Festteilnehmern aufgefordert wurde, sofort das Lokal zu verlassen, widrigenfalls man ihn hinauswerfen würde. Als der Herr dieser Aufforderung nicht Folge leistete, kam es zu Tätlichkeiten und antisemitischen Beleidigungen, und ein anderer Gast […] erhielt von den Festteilnehmern Ohrfeigen.“
Republikaner erinnern an die Kriegstoten
Selten wird über Gedenkfeiern von Demokraten berichtet. Eine solche findet am 1. Mai 1922 in Berlin-Karow statt. Der „Vorwärts“ schreibt:
„Unter Vorantritt einer Musikkapelle, der zunächst die zahlreich vom Schulunterricht befreiten Kinder folgten, bewegte sich der Zug, der sich auf seinem Wege ständig vergrößerte, zuerst durch die Hauptstraße von Buchholz, marschierte dann durch die Kolonie Blankenburg und erreichte schließlich in mehrstündigem Marsch Karow, um dort an dem Gedenkstein für die im Weltkrieg Gefallenen der Toten im Sinne der sozialistischen Arbeiterschaft zu gedenken.“
Über eine Feier am selben 1. Mai in Potsdam berichtet ebenfalls der „Vorwärts“:
„Kaum waren die Schritte der Arbeiterjugend in den Straßen Potsdams verhallt, als auch der alte Geist sich sofort wieder hervorwagte. Am Montag fand […] die Einweihung eines Denkmals für die Gefallenen des ehemaligen Ulanen-Regiments statt. […] Die ganze Feier erweckte den vollkommenen Eindruck einer antirepublikanischen Veranstaltung, und das unter Teilnahme der republikanischen Reichswehr und eines großen Teils der Potsdamer Polizei. Auch der Schlußsatz des Redners war bezeichnend; er lautete: ‚… kämpfen für Kaiser und für Reich!‘ Daneben aber steht in Paradeaufstellung eine Schwadron republikanischer Reichswehr und zieht noch nachher im Parademarsch vorbei.“
Deutschlandfunk Kultur sendet in Kooperation mit dem Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung (Potsdam) ab dem 25. August 2021 jeweils mittwochs gegen 19:25 Uhr die Reihe „100 Jahre politischer Mord in Deutschland“ .
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